Matterhorn
Licht. Goodwin winkte die beiden Kit Carsons nach vorn, und die Kompanie bewegte sich unstet vorwärts. Sie kam nun fast doppelt so schnell voran wie zuvor abseits des Pfades – verdoppelt hatte sich allerdings auch die Gefahr.
Zwar musste man sich keinen Weg mehr durch Unterholz und Bambus hacken, doch die Angst vor einem Hinterhalt sorgte dafür, dass das Tempo quälend langsam blieb. Mellas schäumte vor Wut und fragte sich, warum es besser war, das Munitionsversteck am Mittag anstatt später in der Nacht hochzujagen. Er wünschte, sie befänden sich oben auf dem Kamm, wo es kühler und sicherer war und sie auch nicht viel langsamer vorankamen.
Nach zwei weiteren Stunden trat Goodwins Zug zur Seite, damit der von Mellas die Spitze übernehmen konnte. Als er Goodwin sah, war Mellas so erhitzt und müde, dass er nur noch die Augen verdrehen und die Zunge heraushängen lassen konnte. »Scheiße, ganz deiner Meinung, Jack«, sagte Goodwin mit fast normaler Stimme. Sie schien sehr laut zu sein. Wer ihn hörte, lächelte.
Eine Stunde später war die ganze Kolonne zum Stehen gekommen. Die Jungs standen stumm in der Hitze, schwitzten und stanken, wollten sich nicht mehr vorwärtsbewegen, zugleich aber den Tag hinter sich bringen. Dann setzten sich einige hin. Bald machte die gesamte Kolonne Pause, ohne das irgendwer den Befehl dazu gegeben hätte.
Fitch kam nach vorn. »Scheiße, was ist da los?«
Mellas wusste es nicht. Er wusste aber, dass er es eigentlich hätte wissen müssen. Er robbte nach vorn, wollte unbedingt wieder gut angeschrieben sein bei Fitch. Er gelangte zu Jackson. Jackson wusste nichts. Mellas robbte weiter, Hamilton robbte ihm hinterher. Eine kleine Lichtung tat sich auf. Die beiden Kit Carsons waren damit beschäftigt, sich etwas zu essen zu kochen, und lauschten dabei ihrem Transistorradio.
Mellas packte die Wut. Der vorderste Marine musste gesehen haben, dass die Kit Carsons anhielten, aber er hatte keinen Befehl bekommen, die Spitze zu übernehmen. Dass sie an der Spitze gehen mussten, war das Pech der Kit Carsons. Er hatte keine Lust, sie freiwillig zu überholen und den Tod zu riskieren, schon gar nicht, da er dazu über eine offene Lichtung hätte gehen müssen. Falls nicht vorgesehen war, dass sich die Kit Carsons ihr Essen kochten, würde sich vermutlich irgendein Offizier fragen, warum die ganze Kolonne haltgemacht hatte, und nach vorn kommen, um nachzusehen – was dann ja auch geschah.
Mellas trat aus der Deckung des Dschungels in den kleinen Fleck Licht. »Gottverdammt noch mal, ihr Gook-Arschlöcher, ihr dämlichen.« Er trat den Wassertopf um, stieß mit dem Fuß das brennende C 4 auseinander. »Geht mir verdammt noch mal aus den Augen.« Einer von ihnen griff nach dem Topf, der andere nach seinem Gewehr. Mellas war zu wütend, um sich bedroht zu fühlen. »Verpisst euch!«, schrie er und stieß sie in Richtung Kolonnenende. »Zurück. Zurückgehen zu Kommandogruppe, du Blödmann, du dämlicher. Zurück. Du nix hier. Du Nummah zehn.«
Er verständigte Fitch über Funk, dass er die Kit Carsons zurückschickte und sie vorn nicht wiedersehen wollte. »Ich will nicht, dass irgendwelche Scheißdeserteure meine Männer in die Scheiße reiten«, brüllte er über Funk.
Fitch seufzte. »Sehen Sie einfach zu, dass es weitergeht, okay? Out.«
Mellas’ Verachtung für alles Vietnamesische nahm zu.
Fitch schickte Arran und Pat nach vorn, in der Hoffnung, dass Pats Nase dazu beitragen würde, die Dinge zu beschleunigen. Das war nicht der Fall.
Eine Stunde später sah Mellas am Rand des Pfades Mallory sitzen, der sein Maschinengewehr quer auf den Oberschenkeln liegen hatte, sich den Kopf hielt und vor Schmerzen stöhnte.
»Machen Sie schon, Mallory«, sagte Mellas. »Wir haben nur noch ein paar Stunden zu gehen, dann jagen wir den Scheiß hoch und verschwinden von hier.« Die Kolonne schob sich müde an ihnen vorbei.
»Mir tut der Kopf weh, Lieutenant«, sagte Mallory fast schon schreiend.
»Ich weiß. Wir versuchen, Sie zu einem Psychologen zu bringen. Vielleicht kann der Ihnen helfen.«
Ein lautes Stöhnen entfuhr Mallory, bevor er es unterdrücken konnte. »Einen Psychologen? O Scheiße, Mann. Ich sag Ihnen doch, es tut weh. Ich bin nicht verrückt.«
Mellas streckte die Hand aus, und Mallory rappelte sich hoch und schleppte sich den Pfad hinauf, bemüht, seine Position in der Kolonne wiederzufinden.
Binnen Minuten kamen sie erneut zum Stehen. Niemand wusste, warum. Mellas wollte
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