Matthews & Brooks - Mein totes Herz ist Dein (German Edition)
spüren, dass es in dieser Nacht auch nicht besser werden würde, im Gegenteil. Sie konnte den Sturm praktisch riechen der sich drohend über der Stadt zusammenbraute. Trotz allem mochte sie diese Jahreszeit am liebsten, den Geruch von Regen der sich mit Erde vermischte und die ellenlange Dunkelheit die ihr mehr Zeit schenkte um sich Lebendig zu fühlen. Sie hatte schon seit langer Zeit nicht mehr kämpfen müssen, hoffentlich war sie nicht komplett eingerostet. Immerhin konnte sie mit zwei mechanischen Quallen auftrumpfen, die sie noch funktionierend in ihrem Haus gefunden hatte. Die Feinarbeit an diesen Dingern erforderte eine geraume Zeit und so oft hatte sie Benders Dienste bisher nicht in Anspruch nehmen dürfen. Was sie von Sir Shane gehört hatte, ließ sie auch nicht gerade daran glauben, Bender in naher Zukunft wieder Kontaktieren zu können. Sie fragte sich, wo der Mann nur abgeblieben war und ob er in Schwierigkeiten steckte oder gar schlimmeres. Er war ein Mann der in seiner Arbeit vollkommen aufging und dem nichts anderes wichtiger schien, als diese auch so gut wie möglich auszuführen. Hatte er sich deshalb vielleicht sogar in kriminelle Machenschaften hineinziehen lassen? Im Gegensatz zum Professor war ihm das durchaus zuzutrauen. Man tat unglaubliches, wenn man in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs und sich, auf anderen Wegen als legal, Geld verschaffen musste. Da hatte sie schon so einiges erlebt und teilweise hatte sie das Verhalten der Menschen sogar verstehen können, gerade wenn es um Familien mit Kindern ging.
In den Straßen herrschte das reinste Chaos. Nebel, so dick wie Erbsensuppe, zog sich wabernd durch ganz London. Die Gaslaternen gaben kaum genügend Licht frei, um die Straße erkennen zu können. Sebastian hatte Mühe und Not einen Passanten von einem Baum zu unterscheiden und niemanden umzufahren oder damit zusammenzustoßen. Immerhin waren sie in Eile und die Fahrt nahm immer mehr an Tempo zu. Ab und zu vernahm man einen Aufschrei oder bemerkte jemanden gerade noch außer Reichweite hechten, der ihnen einen bösen Fluch hinterherschickte. Alle paar Meter hielt sich Sir George schützend den Arm vors Gesicht und brüllte: „Pass doch auf, Junge! Nach links … liiinks. Verdammt noch eins!“ Bei so ziemlich jeder Kurve hingen zwei Räder komplett in der Luft und alle Insassen wurden von einer Seite auf die andere geworfen. Sir Shanes Zylinder war schon während der ersten Kurve verlorengegangen, aber ohne es auch nur zur Kenntnis genommen zu haben, hatte dieser sich nicht einmal gerührt. Er saß schon die ganze Zeit wie versteinert da und vergrub sein Gesicht tief in den Händen. Bei der Fahrweise des jungen Sebastian war das gar keine so schlechte Idee, fand Rebekka. Obwohl sie den Fortschritt der Geschichte durchaus befürwortete, ging ihr diese Fahrt gewaltig an die Nieren. Sie war vielleicht so gut wie unsterblich, aber das war in diesem Fall so leider gar nicht relevant. Als gewöhnlicher Mensch konnte man durchaus in Panik geraten, wenn man das eigene Leben so an sich vorüberziehen sah. Schon vor der nächsten Biegung hielt sich Sir George bereits die Hand vor den Mund und wurde ganz grün um die Nase. Würde er sich tatsächlich bei dieser Geschwindigkeit übergeben, dann musste Rebekka möglichst schnell zur Seite rutschen und in Deckung gehen. Angewidert verzog sie das Gesicht und rückte ihre Pilotenbrille zurecht, an so etwas Widerliches durfte sie jetzt nicht denken. Wieder hörte man den Aufschrei einer Frau, sah zwei Silhouetten schemenhaft vorbeihuschen und ein Mann rief aufgebracht: „Pass doch auf, du Idiot! Haste keine Augen im Kopf? Frechheit!“ Wahrscheinlich hätten sie auch gesehen, wie er mit seiner Faust in der Luft rumwirbelte und wütend mit dem Fuß aufstampfte, wäre der Nebel nicht so furchtbar dicht und der Wind so gnadenlos gewesen. Sebastians Wangen waren vor Aufregung und aufgrund der Kälte stark gerötet und er grinste so breit wie ein Honigkuchenpferd. Also gab es wenigstens einen der Spaß an dieser Höllenfahrt hatte und dem es egal war, ob er dabei drauf ging. Dass die Fahrt so extrem rasant verlaufen würde, daran hatte der gute Sir George wohl nicht gedacht, denn Rebekkas außergewöhnlichem Gehör blieb nichts verborgen. Er betete leise vor sich hin und bekreuzigte sich mehrmals, obwohl er nicht einmal sonderlich religiös war.
„Wir müssen aus der Stadt raus!“, versuchte sich Rebekka gegen den Fahrtwind durchzusetzen. Sie brüllte
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