Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
sich, langsamer zu atmen. Nichts zu hören. Was soll ich jetzt machen? Mit einem Klacken erlosch das Licht im Treppenhaus. Matti erschrak, war aber gleich beruhigt. Im Dunkeln fühlte er sich besser, er kannte jede Stufe. Nur, wenn sie von unten kamen, nutzte ihm das nichts. Ihn schauderte. Du sitzt in der Falle. Du bist selbst hineingelatscht, Dummkopf. Dann entschloss er sich. Er klingelte an der Wohnungstür und fuhr zusammen. So schrill war die Klingel nie gewesen, ihm kam es vor, als würde sie das ganze Haus aus dem Schlaf reißen. Er horchte wieder an der Tür. Nur ein nöliges Maunzen, immerhin, Robbi lebte. Aber vielleicht war er verletzt?
Mut und Feigheit, Ungeduld und Vorsicht rangen miteinander, bis er endlich den Schlüssel ins Schloss steckte, die Tür an sich heranzog und sie öffnete. Das Licht aus der Küche fiel in den Flur und tauchte ihn in ein Halbdunkel. Matti zog den Schlüssel, steckte ihn in die Hosentasche und schloss die Tür. Er schaltete das Licht im Flur ein und erstarrte, weil er etwas erwartete, irgendetwas, das ihn erschrecken würde. Doch da war nichts. Er ging in die Küche und sah sich um. Robbi saß auf dem Tisch und jaulte ihn an. Matti streichelte ihm den Kopf, und Robbi schloss die Augen.
Matti ging zurück in den Flur. Da lag etwas Fremdes in der Luft, ein Geruch. Oder dessen Einbildung. Vielleicht fühlte er etwas Fremdes, weil er es erwartete?
Er öffnete die Tür von Twiggys Zimmer und erkannte nur das übliche Durcheinander. Auf dem Bett lagen Prospekte von Espressomaschinen. In Dornröschens Zimmer herrschte wie stets Ordnung, als ob niemand darin wohnen würde. Auch in seinem Zimmer schien nichts verändert. Doch was war mit dem Haustürschloss passiert? Es hatte noch nie geklemmt. Alles klemmt irgendwann zum ersten Mal. Aber warum gerade jetzt? Und was waren das für Typen in dem Toyota-Bus gewesen? Der hatte noch nie hier gestanden, und gleichzeitig klemmte das Haustürschloss. Was bedeutet das? Matti ging in der Wohnung umher und betrachtete die Lampen, Dornröschens Blumentöpfe, die Regale, als könnte er Wanzen erkennen, wenn er nur genau hinschaute. Matti wusste, dass die modernen Wanzen, nur ein paar Millimeter groß, überall versteckt werden konnten und dass man sie mit dem bloßen Auge nicht fand, wenn sie einigermaßen geschickt untergebracht worden waren. Wer solche Wanzen besaß, der wusste auch, wie man sie einbaute.
Matti verließ die Wohnung, schloss zwei Mal ab, obwohl er wusste, dass es nicht viel brachte. Er eilte die Treppe hinunter und rannte zum Bus. Er spürte einen eisigen Wind auf der verschwitzten Haut. Ihn fröstelte von der Kälte und von der Angst. Twiggy stand neben der Fahrertür und rauchte, Dornröschen saß noch in der Mitte der Bank und war in sich versunken.
»Mensch, du hast dir ja Zeit gelassen«, knurrte Twiggy.
Matti verschnaufte kurz, nahm Twiggy die Zigarette aus der Hand, zog daran und gab sie Twiggy zurück, dann sagte er: »Es sieht so aus, als wäre die Luft rein, aber ich glaub nicht dran. Das Haustürschloss klemmte, und ich hab das Gefühl, es war jemand in der Wohnung.«
»Hm«, sagte Twiggy, »das Gefühl.« Er schnalzte den Zigarettenstummel weg, der Wind riss ihn glühend mit wie eine Sternschnuppe.
Matti setzte sich auf die Bank, Twiggy quälte seinen Leib hinters Steuer.
»Du kennst doch bestimmt jemanden, der unsere Bude checken kann«, sagte Dornröschen. »Oder der dir ein Gerät geben kann, mit dem du das machst.«
Twiggy dachte kurz nach, dann nickte er, als müsste er sich für jedes Nicken einzeln entscheiden.
Matti schaute auf die Uhr: »Ach du Scheiße!« Er schlug mit der Hand auf das Armaturenbrett. Zwei Mal. Es war fünf nach zehn. Er stieg aus und wählte ihre Nummer. Als sie abhob: »Matti hier. Ich komme ein bisschen später. Stress. Ich erzähl’s dir dann.«
»Aber du kommst?«
»Natürlich.«
4: Bargain
E s war elf Uhr, als Matti das Molinari betrat. Sie hatten noch einiges zu diskutieren gehabt, auch dass sie sich verhalten würden, als wäre die Wohnung wanzenverseucht, bis es geklärt war. Er sah Lily sofort, als er am Tresen vorbeiging, sie saß auf einem kleinen Stuhl an einem der Schülerschreibtische im vorderen Raum, auf der Fensterbank stapelten sich Zeitschriften und Zeitungen. Sie hatte eine Zeitung vor sich liegen und schien nicht zu beachten, was um sie herum geschah. Sie trug eine enge rote Trainingsjacke und sah provozierend gut aus. Dann hob sie doch den Kopf und
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