Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim
Schimmer. Matti fühlte sich so, als stieße er fortlaufend gegen eine Wand. Sie wussten, dass Fendt und Zitkowski Dreck am Stecken hatten. Gewiss waren sie verstrickt in den Mord an Georg. Aber es gab nicht den geringsten Beweis. Beweisen konnten sie nur die Heimlichtuerei. Und sicher schien auch, dass Fendt log, wenn er Gabys Entführung bestritt.
»Die Enkel«, sagte Dornröschen. »Wir arbeiten noch einmal alle Mails an die Enkel durch. Haben die geantwortet? Doch nicht, oder?«
»Nein«, sagte Twiggy. »Aber wir gehen jetzt erst mal schlafen.« Er nahm Robbi auf den Arm und verschwand. Ein paar Minuten später hörten Matti und Dornröschen die Glotze. Twiggy guckte Al-Dschasira.
»Er hat schon ewig keine Splattervideos mehr geglotzt«, sagte Matti. »Müssen wir uns Sorgen machen?«
»Nein«, erwiderte Dornröschen. »Er glaubt, dass Horrorfilme schlecht für Robbi sind. Hat er mir vor ein paar Wochen mal erzählt. Er hat nach Katzenpsychologen gegoogelt, als Robbi wieder die Mauser hatte. Und da muss er das gelesen haben.«
»Hoffentlich kriegt er keine Entzugserscheinungen. Oder holt im richtigen Leben nach, was er in der Glotze vermisst.«
Dornröschen kicherte.
»Ich geh schlafen«, sagte Matti. »Und du ebenfalls. Du bist doch auch todmüde.«
Matti stand als Erster auf und bereitete das Frühstück. Dann huschte Dornröschen ins Bad und tauchte mit gewaschenen Haaren wieder auf. Auf dem Weg in die Küche donnerte sie gegen Twiggys Tür. Die Antwort war ein Knurren, das die Wohnung erschütterte. Zuerst erschien Robbi. Er streckte sich und taumelte mehr, als dass er ging, zum Futternapf. Matti füllte ihn auf mit Thunfischfutter. Dornröschen kochte Tee. Dann erschien Twiggy, zerzaust, zerknittert und stumm. Er setzte die Espressomaschine in Gang.
Kaum hatte Dornröschen ihren Marmeladentoast verdrückt, marschierte sie los und kehrte mit den Ausdrucken der Enkel-Mails zurück. »Nun widmen wir uns Walter und Ernst«, sagte sie und schob die Frühstücksutensilien zur Seite, um Platz für den Papierstapel zu machen. »Ich hab die heute Nacht schon mal sortiert.«
»Vorbildlich.« Twiggys erstes Wort an diesem Tag.
»Die Mail Nummer eins stammt vom 16. Mai 2012. Es sind insgesamt vierundzwanzig Briefe an die lieben Enkel. Es gibt keine Antworten.«
»Was bedeutet, dass es Anweisungen von Fendt sind«, sagte Matti.
»Vermutlich«, antwortete Dornröschen.
»Überhaupt nicht vermutlich«, brummte Twiggy mit vollem Mund. »Selbst wenn es Anweisungen wären, erwartet man doch Antworten. So etwas wie ›Auftrag erhalten‹ oder ›Zu Befehl‹.«
»Was heißt das?«, fragte Matti.
»Das heißt, dass die Befehlsempfänger auf einem anderen Kanal geantwortet haben. Sofern es Befehlsempfänger waren. Vielleicht hat Fendt an eine höhere Instanz berichtet?«
»Toll. Ein prima Gefühl, wenn alle Gewissheit schwindet.«
»Vielleicht hilft das Datum?«, fragte Matti.
»16. Mai 2012. Was soll das sein?« Dornröschen klopfte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte.
»Jetzt strengt euch mal ein bisschen an«, nörgelte Twiggy. »Es hat immer einen Grund, wenn eine Sache anfängt.«
»Was für eine Sache?«, fragte Matti. »Das ist doch die Frage.«
»Also, es hängt mit Georg Westreich zusammen. Und mit Anja«, sagte Dornröschen nachdenklich. »Wir wissen, dass Fendt und Zitkowski Georg kannten. Sogar gut. Georg wurde ermordet. Anja ist verschwunden. Fendt und Zitkowski geben die Obergeheimniskrämer. Ich unterstelle, sie haben was mit Georgs Tod zu tun. Sonst erkenne ich in der Verwicklung keinen Sinn. Aber haben die Georg umgebracht? Wegen einer Leiche im Keller? Weil Georg auspacken wollte?«
»Offenkundig hat Georg sich keinen Anwalt genommen«, sagte Twiggy.
»Er hätte sich an den flinken Rudi gewandt. Das ist der beste Rechtsverdreher von allen«, sagte Matti.
»Spricht gegens Auspacken«, sagte Dornröschen.
»Es sei denn, Fendt und Genossen haben es befürchtet und sich gesagt: Sicher ist sicher. Ein Toter kann nichts verraten.«
Schweigen.
»Wir drehen uns im Kreis«, sagte Dornröschen.
»Das ist derzeit unsere Lieblingsbeschäftigung«, knurrte Twiggy.
»Lasst uns die Mails durchgehen«, befahl Dornröschen. »Matti, lies vor.«
Lieber Ernst,
wir haben uns viel zu lang nicht mehr gesehen. Ich freue mich schon, wenn wir wieder zusammen Eis essen gehen.
Bis bald,
dein Opi
»Eleganter Briefstil«, sagte Dornröschen.
Lieber Ernst,
das war doch nett. Wir sollten uns bald
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