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Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim

Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim

Titel: Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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her. Er hatte mit Ingeborg wenig zu tun gehabt. Sie war damals in ihren Kreisen richtig prominent gewesen und er der Revolutionslehrling vom Dorf. Er hatte Ingeborg bewundert wie fast alle anderen. Aber sie war unnahbar gewesen. In der Szene wurden einige auf Sockel gestellt. Die mal im Knast gesessen oder zumindest vor Gericht gestanden hatten. Die die theoretischen Artikel schrieben, möglichst abgehobenes Zeug, das nur Erlesene begriffen. Die den Ton angaben auf den Versammlungen und die bei Demos redeten. Es gab die Leute vor dem Megafon und die dahinter. Die einen sprachen, die anderen hörten zu. Von wegen herrschaftsfrei.
    »Hast du eine Ahnung, wie lange sie mit Anjas Vater zusammen war, also dem falschen Vater?«, fragte Twiggy.
    »Nein, aber die waren ein Paar. Ich bilde mir ein, mit Vornamen hieß der Volker oder so.«
    »Wer weiß so was?«
    »Edeltraut vom Buchladen«, sagte Dornröschen. Sie nahm ihr Handy und wählte. »Heinz, hier Dornröschen, sag mal, ist Edeltraut da? … Gibst du sie mir bitte mal?« Mit den Fingern zeigte sie Matti, dass sie Papier und Stift brauchte. Matti deutete auf Twiggy, der holte einen Kuli aus der Brusttasche seines Blaumanns, und in einer anderen Tasche fand er einen zerknüllten Zettel.
    Dornröschen klemmte sich den Zettel unter den Ellbogen des einen Arms, mit der anderen Hand schrieb sie eine Nummer auf. »Danke, Heinz! Bis bald!«
    »Die ist krank«, sagte Dornröschen und tippte die Nummer ein.
    »Edeltraut? Geht’s einigermaßen? … Dürfen wir dich trotzdem besuchen? … Danke, das ist nett … Sollen wir was mitbringen? … Wirklich nicht?«
    Sie legte das Handy auf den Tisch. »Gegen vierzehn Uhr«, sagte sie. »Raoul-Wallenberg-Straße …«
    »Ach, du lieber Himmel«, sagte Matti. »Marzahn. Wie kommt die denn dahin?«
    »Durch ’nen Umzug«, sagte Twiggy.
    Dornröschen überlegte. »U 8 bis Jannowitzbrücke, dann die S-Bahn Richtung Osten, schon sind wir da.«
    »Ruf doch noch mal an und frag, ob sie den Namen so rausrückt«, maulte Twiggy.
    »Besser nicht. Die freut sich auf Besuch. Mich kennt die bestimmt noch, wir waren zusammen in einer Frauengruppe. Die wär beleidigt, wenn wir nicht vorbeikämen.«
    »Wenn du nicht vorbeikämst«, murrte Twiggy.
    »Sie schließt euch gern in ihre Zuneigung mit ein.« Dornröschen gähnte. Dann grinste sie.
    Das Wohnzimmerfenster zeigte auf einen anderen Plattenbau. Marzahn war der Inbegriff des DDR -Wohnungsbaus, industriell gefertigte Wohnungen aufeinandergestapelt und mit Zement und Stahl verbunden. Obwohl die Fassaden verschönert worden waren, blieben die Klötze Monstren. Matti stellte sich vor, dass es in Nowosibirsk ähnlich aussehen musste.
    Edeltraut ging nicht, sie watschelte. Um den Hals einen Schal, obwohl es in der Wohnung stickig-warm war. Sie hatte einen Tee gekocht und auch schon Tassen und Gebäck auf den Wohnzimmertisch gestellt. Das Mobiliar war alt und verschlissen. An der Wand hing ein Foto, das eine Steilküste zeigte, vielleicht auf Rügen.
    »Dass ich dich mal wiedersehe«, sagte Edeltraut und umarmte Dornröschen.
    Auf der Fahrt hatte Dornröschen erzählt, dass sie Edeltraut beim Studium kennengelernt hatte. Nachdem Ingeborg abgetaucht war. Sie habe sich an Dornröschen gehängt und so von deren Kontaktfreude und Anerkennung profitiert. Als Dornröschens Freundin war man ein bisschen wer. Edeltraut hatte sich durchs Studium gewürgt, aber damals fiel niemand durch, wenn man denn erschien. So hatte auch sie ihr Politologiediplom geschafft. Und dann war sie verschwunden. Nicht nur von der Uni, sondern aus allen Kreisen und Organisationen. Jahre später hatte Dornröschen Edeltraut wiedergetroffen. Sie hatte geheiratet, ihr Mann war Abteilungsleiter bei der Dresdner Bank – »oder war’s die Commerzbank?« –, mit der Revolution jedenfalls war es Essig für Edeltraut. »Sie hatte da sowieso nur mitgemacht, weil es schick war«, sagte Dornröschen, doch blieb ihr Ton auffällig mild. Für andere, die ausgestiegen waren, hatte sie nur Verachtung übrig. Nicht für Edeltraut. »Sie war nie Revolutionärin, da kann ich ihr schlecht vorhalten, dass sie es nicht mehr ist. Logo?«
    Matti hatte grinst, und Dornröschen hatte getan, als boxte sie ihn.
    Sie setzten sich. Edeltraut sagte mit weinerlicher Stimme. »Tut mir leid, dass ihr herkommen musstet, aber …« Sie deutete auf ihren Hals.
    »Wie geht’s dir denn?«, fragte Dornröschen.
    »So lala.«
    Dornröschen zog eine Mitleidsmiene.

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