Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim
fahren.«
Ülcan hatte wider Erwarten nicht den Unabbildbaren beschworen, als Matti sich Urlaub nahm. Er hatte nicht einmal richtig geschimpft. Nur ein bisschen. Als Matti sagte, sie müssten Georgs Mörder finden, hatte Ülcan sogar genickt. Und noch mal, als Matti gesagt hatte, dass die Bullen ihn für den Mörder hielten und er keine Wahl habe, als den Dreckskerl selbst zu finden. Sonst sei es sowieso aus mit dem Taxifahren. »Komm wieder, wenn es vorbei ist«, sagte Ülcan und vertiefte sich wieder in seine Zeitung. Der Aschenbecher quoll über, das kleine Büro wäre auch als Räucherofen durchgegangen. »Ich komme wieder«, sagte Matti. Und: »Danke!« Aber Ülcan winkte ab, ohne aufzublicken. »Ich bin zu gut für euch. Ihr ungläubigen Vampire saugt mich aus bis auf den letzten Tropfen.« Grinsend war Matti gegangen. Es wäre wirklich besorgniserregend gewesen, Ülcan hätte was Nettes gesagt.
»Lass uns mal in den Weinladen gehen«, sagte Twiggy.
»Na gut.« Dornröschen steuerte den Laden an. In den beiden Schaufenstern standen verblüffenderweise Weinflaschen. Und alle waren teurer als die WG -Normaldröhnung. Dummerweise war die Tür vergittert und verschlossen.
»Bleibt nur Ayurveda«, sagte Twiggy. Er zeigte auf das Studio.
»Mein Gott«, stöhnte Dornröschen. »Stand Anja auf so was?«
Matti zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf.
Sie öffneten die Tür. Ein Glöckchen klingelte leise. Sie standen in einem Vorraum, in dem alles in sanften Farben gehalten war. Irgendein Räucherzeug erinnerte Matti an die Vorstufen des Brechreizes. Auf einem Sofa an der Wand saß ein Mann, feist wie eine Kröte. Er mühte sich, das liebreizendste Lächeln aller Zeiten unter seinem Schnurrbart zu zeigen.
»Guten Tag, meine Freunde. Was kann ich für euch tun?«
Der Fleischkloß erhob sich. Es verschlug den WG -Genossen die Sprache. Seine Beine waren Stumpen, die Hände hätten den Boden geputzt, wenn nicht die Arme von einem gewaltigen Bauch an den Seiten gehoben würden. Verpackt war das Monster in eine Art rote Uniform, mit verzierten Knöpfen und einem schillernden Gürtel. Er wälzte sich zu Matti, bremste vor ihm und blickte ihm in die Augen. Dazu musste er den Kopf ins Genick legen. »Ich sage dir, mein Sohn, deine Doshas sind nicht im Gleichgewicht.«
Matti starrte nach unten und blickte in vor Freundlichkeit überquellende Augen.
»Ich seh das sofort«, sagte das Monster. Er streckte die Finger nach Mattis Handgelenk aus und griff nach dem Puls. »Das ist Nadivigyan, die Kunst des Pulslesens.« Er verharrte schweigend, die Augen geschlossen. Er schüttelte den Kopf und stöhnte leise. »Ach, du Armer. Wir sollten einen Termin vereinbaren für die Prakriti-Analyse …«
»Für was?«, fragte Matti.
»Ich erstelle dir dein Horoskop. Und das zeigt mir, in welchem Verhältnis sich deine Doshas befinden müssen. Das ist ganz individuell. Für uns ist jeder Mensch ein unendlich wertvolles, einzigartiges Wesen. Weißt du, wann du geboren wurdest, auch die Stunde?«
Dornröschen schob Matti zur Seite. »Entschuldigen Sie, großer Meister. Meine Doshas sind völlig im Gleichgewicht. Ich hätte mal eine andere Frage.« Sie zeigte ihm ein Foto. »Haben Sie dieses unverwechselbare Geschöpf schon einmal gesehen?«
Der Meister guckte sie verdutzt an. Ein Blick aufs Bild, dann musterte er Dornröschen. Erst streng, dann zog ein mildes Lächeln über sein Gesicht. Er hob die Krakenarme und streckte die Hände zum Himmel. Er zeigte aufs Bild. »Diese Frau ist völlig aus dem Gleichgewicht. Sagen Sie ihr, sie möge schleunigst in Behandlung kommen. Sie hat die erste Sitzung frei.« Sein Gesicht zeigte Betrübnis.
Twiggy baute sich vor dem Meister auf. Er nahm Dornröschen das Foto weg und hielt es dem Monster unter die Nase. »K-e-n-n-e-n S-i-e d-i-e-s-e F-r-a-u?« Er betonte jeden Buchstaben.
Der Meister erschrak und griff mit unsicherer Hand nach dem Foto. Er blickte es lange an. Endlich schüttelte er den Kopf. Er warf Twiggy einen ängstlichen Blick zu und schüttelte noch einmal den Kopf. »Nein«, hauchte er.
Als sie den Ayurveda-Tempel verlassen hatten, bekam Twiggy einen Tobsuchtsanfall. »Das ist alles Müll, was wir treiben. Wir finden die blöde Kuh sowieso nicht. Und wenn sie jemand doch erkennt? Das nutzt überhaupt nichts. Ihr glaubt doch selbst nicht, dass uns hier einer übern Weg läuft und freudestrahlend sagt: Ach, das ist ja die Anja, die wohnt jetzt in der Greifswalder 28.«
»Ich
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