Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim
kleine nur. Assistenzärztin. Laufbürschin für die Götter.«
»Am Urban?«
»Am Urban.« Sie nickte.
»Wo kommst du her?«, fragte Dornröschen.
Monika erzählte, dass sie in Hamburg geboren worden sei vor gut vierzig Jahren. Die Ehe der Eltern sei schon in ihrer Kindheit zerbrochen und sie bei der Mutter aufgewachsen. »Besser als die ewigen Streitereien.« In Farmsen habe sie das Abi gemacht, dann Studium an der Uni. Der erste Job dort an der Uniklinik, dann nach Berlin ans Urban. Zwischendrin hatte sie eine Zeit lang nur gejobbt, einen Mann kennen und ihn bald hassen gelernt, um nach Berlin abzuhauen. Der Typ habe ihr sogar eine Weile aufgelauert, aber es gebe da ein Büro für Stalking-Opfer, die hätten ihr geholfen. Und irgendwann war der Spuk vorbei. »Als hätte er geahnt, dass ich kurz davor war, die Bullen zu rufen.« Sie seufzte einmal, lachte aber gleich wieder. »Meinen Eltern und diesem Arsch verdanke ich die engere Bekanntschaft mit meinem Shrink.« Wieder ein Lachen. »Er will mich immer wegschicken, aber ich missbrauche ihn als Kumpel, dem ich alles erzählen kann. Mal sehen, wann er mich endgültig rausschmeißt.«
Matti beobachtete, wie sie erzählte. Sie war lebhaft und ohne jedes Misstrauen. Erstaunlich bei dieser Biografie. Wenn sie sprach, hatte sie Fältchen an den Schläfen. Auf der linken Wange entdeckte er ein kleines Muttermal, auf dem wenige Härchen wuchsen. Ihre Nase war klein und gerade, die Spitze ragte sanft nach oben. Plötzlich sah sie ihm in die Augen und lachte. Sie zwinkerte mit dem linken Auge und wandte sich wieder der Runde zu. »Zurück zu Anja. Einen Anschlag kann man vortäuschen, um von etwas abzulenken. Sie wollte die Bullen irreführen. Vielleicht. Oder?«
»Okay, wenn es so war: Warum und wohin?«
»Warum weiß ich nicht. Woher auch?« Monika runzelte die Stirn und fixierte einen Punkt an der Wand. »Sie hat den Bullen mitgeteilt: Ich bin in Gefahr …«
Matti hob die Hand. »Oder ich will, dass ihr das denkt.«
Monika nickte. »Das klingt gut. Das würde bedeuten, dass sie sich die Schussverletzung selbst zugefügt hat. Habt ihr bei eurer Recherche gefragt, ob jemand einen Schuss gehört hat?«
»Mein Gott, sind wir blöd«, sagte Dornröschen.
»Ich habe an so einen Schwachsinn nicht einmal gedacht«, sagte Twiggy. Er war bleich angelaufen. »Wir rennen durch diese Scheißstraße …« Er blickte Matti an. »Du warst doch schon mal hier …«
Matti winkte ab. Es war zum Kotzen. Die einfachste Frage aller Fragen. Und er hatte sie nicht gestellt.
»Die Bullen wollen aber Zeugen gefunden haben, die einen Schuss gehört haben. Sagt Schmelzer.« Twiggy kratzte sich kräftig auf dem Kopf.
»Aber wir hätten trotzdem fragen müssen.« Matti wandte sich Monika zu und hielt ihr seine Faust vors Gesicht, als trüge er ein Mikro. »Frau Stamm, haben Sie einen Schuss gehört?«
Monika nahm seine Faust und erwiderte: »Ich hätte es gehört, wenn einer herumgeballert hätte. Es sei denn, ich war schuften.«
»Vielen Dank, Frau Stamm.« Matti legte das Mikro auf dem Tisch ab.
Sie guckte ihn noch mal an und grinste.
»Welche Gründe gäbe es, Anja umzubringen?«, fragte sie nach ein paar Sekunden.
Matti staunte, wie gut sie mit Monika diskutieren konnten. »Dass jemand befürchtete, sie wüsste etwas über Georgs Pläne und würde es ausplaudern.«
Matti wollte es erst nicht denken, aber dann musste er ihn denken, den schrecklichen Gedanken. Dass Anja ermordet werden sollte, weil sie mit ihm zusammen war. Und dass sie deswegen dann doch ermordet wurde, nachdem es beim ersten Mal schiefgegangen war. Dass Anja Hilfe von ihm erwartet hatte, er aber versagte.
»Was ist, Matti?«, fragte Dornröschen. Ihre Hand wischte über seine.
Er erzählte, was er dachte.
»Dann hätte sie mal einen Ton sagen sollen«, erwiderte Twiggy. »Außerdem haben wir sie in die WG aufgenommen, und sie hätte bleiben können … eine Weile jedenfalls. Sie war erwachsen und nicht auf den Mund gefallen.«
»Andere Variante: Sie hat es nur vorgetäuscht«, sagte Dornröschen.
»Für diese Version spricht, dass ein Killer noch einmal geschossen hätte. Und wie sollte sie dem mit einem Streifschuss am Bein entkommen.«
»Ich halte das auch für wahrscheinlich«, sagte Twiggy.
Matti dachte: Das sagt er nur, weil es mich entlastet. Nein, ich hab sie auf dem Gewissen. Ich hätte nur sagen sollen: Ich will, dass du bei mir bleibst. Hier in der WG . Hab ich aber nicht.
Wieder streichelte
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