Matto regiert
dem Monopol, und das Monopol hat ihn ruiniert. Die hohen Herren im Bundeshaus waren so anständig – nein, so dumm –, ihn dafür zu entschädigen. Drei Jahre lang hat Herr Schmocker im Monat fünfhundert Franken bezogen und nichts dafür gearbeitet. Nur weil er ein gutes Maul hatte und zu drohen wußte. Man hat ihm Stellen angeboten… Er schlug sie aus. Er wolle keine subalterne Stellung bekleiden, sagte er. Und dann ging den Herren die Geduld aus. Da kaufte sich Herr Schmocker einen Revolver bei einem Trödler, denn sein Herz war angefüllt mit Zorn. Patronen erwarb er keine… Das ist also die Geschichte vom Getreideagenten Schmocker, der sich für den Wilhelm Tell und einen hohen Bundesrat für den Geßler hielt…«
Dr. Laduner verstummte. Seine Hand hielt noch immer Studers Arm dicht unter dem Ellbogen gepackt. Die beiden blieben vor dem geöffneten Fenster stehen.
»Dort, der zweistöckige Bau, ist das U 1«, sagte Laduner. »Und der niedere dahinter der Zellenbau vom U 2. Dort sieht es böser aus als hier im B. Denn wir sind im B… Weyrauch!« rief er.
»Was wünscht dr Herr Doktr?«
»Wartet der Nachtwärter Bohnenblust im Wachsaal?«
»Jawohl, Herr Doktr. I ha Ordere gä, der Bohnenbluescht mög warte, bis dr Herr Doktr ihn gseh häb… Jawohl, Herr Doktr…«
Da ließ Dr. Laduner Studers Arm los und wandte sich einer Türe zu.
»Paardon… Äksküseeh, Herr Doktr!…« Der Oberpfleger Weyrauch steckte den Passe ins Schlüsselloch, riß die Türe auf. Er stand da wie ein wohlerzogener, sehr verfetteter Kammerdiener:
»Wenn dr weit so guet sy…« Laduner trat ins Stiegenhaus.
Wachsaal B
Die Länge des Wachsaals schätzte Studer auf etwa fünfzehn Meter, die Breite auf acht. Der Raum war weiß gestrichen. Zweiundzwanzig Betten in zwei Reihen… Am einen Ende war ein erhöhtes Abteil, in dem zwei Badewannen standen. Dahinter war das Fenster geöffnet und dünne Eisengitter hatte man davor angebracht. Auch durch dieses Fenster sah man den zweistöckigen Bau des U 1.
Neben dem Abteil mit den Badewannen war eine Tür – mit Glasscheiben im obern Teil –, die in ein Nebenzimmer führte. In der Mitte des Saales trat ein Mauerstück aus der Wand hervor und bildete eine Nische. In dieser Nische war ein kleines Tischchen angebracht. Und davor saß der Nachtwärter Bohnenblust, ein älterer Mann mit einem buschigen Schnurrbart. Er trug einen grauen, an vielen Stellen geflickten Sweater. Auf seiner Stirn war eine Beule.
Neben ihm, stramm aufgereckt, stand der Abteiliger Jutzeler in weißem Schurz und weißer Kutte, an deren Revers ein weißes Kreuz in rotem Feld aufgenäht war.
Dr. Laduner trat auf ihn zu, fragte, ob alles in Ordnung sei , erhielt eine bejahende Antwort. Jutzeler sprach im singenden Tonfall der Oberländer. Seine Augen waren braun und sanft, wie Rehaugen.
Der Nachtwärter Bohnenblust erhob sich mit der Unbeholfenheit eines Mannes, den zu vieles Sitzen unbeweglich gemacht hat. Wenn er tief atmete, rasselten seine Lungen.
Er solle sitzen bleiben, fauchte ihn Laduner an. Der Nachtwärter Bohnenblust riß die Augen auf, pustete, hockte ab. Laduner nahm hinter einem größern Tisch Platz, winkte Studer neben sich auf die Bank, stützte dann die Ellbogen auf die Platte. Bohnenblust saß rechts neben ihm, vor seinem Tischchen.
»So, Bohnenblust! Berichtet!«
Die beiden Assistentinnen lehnten sich an die Wand, der welsche Arzt übte Stepschritte. Dr. Blumenstein stand auf einem Bein und sah in seinem weißen Mantel wie ein Storch aus. In der Stille summte eine Hummel, kam näher, blieb vor Studers Nase einige Augenblicke in der Luft hängen; ihr Bauch schimmerte samten und braun.
»Der Herr Doktor wird wissen…« sagte Bohnenblust.
»Der Herr Doktor weiß gar nüt. Der Herr Doktor möchte wissen, woher ihr die Beule am Gring herhabt!« Das Wort ›Gring‹ klang sehr sonderbar in Laduners Mund.
»Also«, sagte der Nachtwärter Bohnenblust, stand auf, setzte sich wieder, rutschte hin und her, als sei sein Stuhl eine heiße Ofenplatte. »Um 1 Uhr, ich hatte gerade gestochen…«
»Er muß jede Stunde die Kontrolluhr stechen…« erklärte Laduner dem Wachtmeister.
»Um 1 Uhr hab ich im Nebenzimmer Lärm gehört. Rufen.« Bohnenblust wies nach der Tür, in deren obern Teil Glasscheiben eingelassen waren. »Ich bin hineingegangen…«
»Haben Sie Licht gemacht?«
»Nein, Herr Doktor, der Schmocker reklamiert sonst immer…«
Laduner nickte, die zwei Assistenten, die zwei Damen
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