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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Stück so interessiere?
    Studer erwiderte, er könne eigentlich keinen Grund angeben, es sei denn, daß er es unter der Matratze gefunden habe, ziemlich gut versteckt, in der Mitte des Bettes… Vielleicht sei seine Frage auch eine müßige Frage…
    – Doch weiter. Pieterlen sei gestern an der Sichleten gewesen?
    »Ja.«
    »Wie lange hat das Fest gedauert?«
    »Bis Mitternacht«, antwortete der Abteiliger Jutzeler und verschränkte die Arme über der Brust, so, als wolle er sagen: ›Zum Auskunftgeben bin ich da…‹ Es war entschieden eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und Dr. Laduner festzustellen.
    »Und hat Pieterlen getanzt?«
    »Nein. Zuerst hat er sich aufs Tanzen gefreut. Dann aber hat er plötzlich nicht tanzen wollen. Er ist in einer Ecke gehockt, und wir haben ihn nur mit Mühe dazu gebracht, auf der Handharpfe zu spielen… Ein paar Tänze… Er war sehr verdrossen… Wahrscheinlich, weil die Wasem nicht ans Fest gekommen ist…«
    – Die Wasem? Studer wurde aufmerksam.
    »Was ist das für ein Fräulein Wasem?« fragte er und blickte Dr. Laduner treuherzig an. Er sah, wie der welsche Assistent plötzlich in seinen Tanzversuchen innehielt, auf einem Fußballen balancierte, zwinkerte, grinste, während Dr. Blumenstein, auf einem Bein stehend wie ein Storch, rot wurde. Die beiden Damen blickten zur Erde.
    Dr. Laduner räusperte sich. Der Abteiliger wollte Antwort geben, aber der Oberarzt schnitt ihm das Wort ab.
    »Wir hatten Pieterlen in die Malergruppe versetzt«, sagte er trocken. »Die Malergruppe hat in letzter Zeit auf dem Frauen-B Wände gestrichen. Und der Patient Pieterlen hat sich in die Pflegerin Irma Wasem verliebt. Das kommt vor. Es sind da Imponderabilien…«
    »Imponderabilien…« sagte die baltische Assistentin und nickte weise, nur Dr. Neuville, der welsche Assistent, meckerte hörbar.
    »Wasem… Irma Wasem…« sagte Studer verträumt. »Und das Meitschi hat die Neigung des Patienten Pieterlen erwidert?«
    Dabei betrachtete er aufmerksam seine Fingernägel, die kurz und spachtelförmig waren…
    Verlegenes Schweigen… Verlegen?… Nein, nicht ganz. Studer spürte, das Schweigen sollte auch Mißfallen ausdrücken, Mißfallen über sein respektloses Ausfragen. Was gingen einen Fahnderwachtmeister die internen Angelegenheiten einer Heil- und Pflegeanstalt an, sollte das Schweigen wohl besagen. Und das Mißfallen, das ausgedrückt wurde, erstreckte sich auch auf den Dr. Laduner. Sicher war dies wohl der Grund, warum er antwortete:
    »In der letzten Zeit sicher… Ganz bestimmt… Ich wurde auf dem laufenden gehalten…«
    Aber da unterbrach eine gequetschte, hüpfende Stimme Laduners mühsame Erklärung. Der Oberpfleger Weyrauch, dick, gemütlich, mit Schweinsäuglein hinter einer Hornbrille, brachte sich in Erinnerung, sich und seine Körperfülle…
    – Wenn der Herr Doktor erlaube, so könne er ja mit einer Auskunft aufwarten, sagte er. Man habe an den letzten Abenden die Pflegerin Wasem mit dem Herrn Direktor oft spazieren gehen sehen…
    Dr. Laduner winkte so heftig ab, daß es aussah, als sei er in einen Mückenschwarm geraten. Studer lächelte still vor sich hin…
    … Ein Kärtlein mit Hulligerschrift: »Ich läut dir dann um zehn Uhr an. Wir gehn dann spaziren.«…
    Aber Dr. Blumenstein, der vierte Arzt, gewissermaßen der Schwager des Direktors, sagte erbittert:
    »Das sind Klatschgeschichten, Weyrauch. Sie sollten sich schenieren, vor Außenstehenden solche Bemerkungen zu machen!«
    Aber der dicke Weyrauch war nicht in Verlegenheit zu bringen. Er antwortete so unbekümmert, wie nur ein Mann antworten kann, dessen Stellung viel gesicherter ist, als die eines vierten Arztes, er antwortete dröhnend und lachte dazu: »Das wüssed doch alli in dr Aschtalt, daß dr Herr Direktr nid ungärn karessiert hätt!«
    Dr. Laduner blinzelte ein wenig, aber sein Maskenlächeln veränderte sich nicht. Studer zog die Kohlezeichnung mit dem süßlichen Mädchenkopf aus der Tasche, zeigte sie dem Oberpfleger und fragte:
    »Ist das die Irma Wasem?«
    »Eh, deich woll!«
    Und zu Jutzeler, dem Abteiliger, gewandt, frage Studer:
    »Ihr habt gestern das Telephon abgenommen und den Direktor gerufen… Wer hat ihn verlangt?… Ich meine, hat eine weibliche Stimme gesprochen?«
    »Nein, nein«, sagte Jutzeler. »Es war eine Mannenstimme…« Studer war verblüfft.
    »Eine Mannenstimme?« fragte er ungläubig.
    »Ja. Ganz sicher!« Der Abteiliger Jutzeler glaubte sich verteidigen zu

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