Matto regiert
müssen.
Studer dachte nach. Da stimmte etwas nicht!… Man mußte weiter fragen. Schwer war es, denn wenn so viele Zuhörer anwesend waren, gingen die Menschen nicht aus sich heraus. Man hätte jeden einzelnen befragen müssen, dann hätte man ihn ausquetschen können… Der Wachtmeister sah von einem zum andern. Die Gesichter waren leer. Hinten, beim kleinen Tischchen, hockte zufrieden der Nachtwärter Bohnenblust mit dem geflickten Sweater und dem buschigen Schnurrbart und freute sich, daß man ihn vergessen hatte. Er atmete so sanft, daß seine Lungen gar nicht mehr rasselten… ›Dich!‹ dachte Studer, ›dich knöpf' ich mir ein anderes Mal vor…‹ Aber vielleicht würde das alles nicht nötig sein… Studer hatte noch Hoffnung auf einen freundlichen Ausgang, obwohl die Männerstimme…
»Sagt einmal, Jutzeler… Während des Telephongesprächs seid ihr in der Nähe geblieben?«
»Ja.«
»Natürlich! Zugehört habt ihr nicht. Aber ist euch etwas aufgefallen? Ein Wechsel im Ausdruck des Herrn Direktor…«
Jutzeler besann sich, nickte.
»Zuerst hat er nur ganz kurz gesprochen und schien wütend zu sein. Er hat den Hörer wieder angehängt. Aber gerade darauf hat es wieder geschellt, der Direktor hat Antwort gegeben und da hat er gelächelt…«
Direktor Ulrich Borstli hatte mit zwei Leuten telephoniert. Wennschon… Sah es nicht aus, als führe man eine Untersuchung über einen Mordfall, obwohl augenblicklich nur das Verschwinden des Patienten Pieterlen zur Diskussion stand? War es nicht immer noch möglich, daß der Direktor einfach verreist war, eine kleine Spritztour unternommen hatte? Aber es sprach so viel dagegen… Studer ging im Saal auf und ab, viele Blicke folgten ihm…
Drei Türen an der Längswand. Er rüttelte an den Klinken. Sie waren versperrt. Um sie zu öffnen, brauchte man nur den Passe, nicht den Dreikant.
»Wir müssen weiter, Studer«, sagte Dr. Laduner und stand auf. »Ich laß Ihnen vom Oberpfleger… – Weyrauch! Geben Sie dem Wachtmeister einen Passe und einen Dreikant, damit er frei zirkulieren kann. Auf die Frauenseite wollen Sie doch nicht, Studer?« fragte er.
Der Wachtmeister schüttelte den Kopf.
»Noch eine Frage«, sagte er. »Ist die Irma Wasem in der Anstalt?«
Es war der dicke Oberpfleger Weyrauch, der die Antwort gab.
– Sie habe heute ihren freien Tag, sagte er und zwinkerte hinter seiner Hornbrille.
Also war der Fall auch am Rapport verhandelt worden, dachte Studer und trat zur letzten Tür neben dem Absatz mit den Badewannen, die vom Nebenzimmer kaum drei Meter entfernt war. Stimmengesumm auf der andern Seite.
»A propos«, sagte Studer. »Wo ist eigentlich die Handharpfe des Pieterlen?«
Der Abteiliger Jutzeler wurde rot und das sah ziemlich merkwürdig aus. Er stotterte ein wenig, als er mit leiser Stimme antwortete, die Handharpfe sei nicht aufzufinden gewesen.
»Dann hat die Pieterlen auf die Reise mitgenommen?« stellte Studer kopfschüttelnd fest. Es gelang ihm einfach nicht, sich ein Bild von diesem Pieterlen zu machen, den der Dr. Laduner ein Demonstrationsobjekt genannt hatte. Ein Demonstrationsobjekt! Warum?
»Wenn Sie auf dem B bleiben wollen, Studer«, sagte Laduner, »so will ich Sie noch meinem Freunde Schül vorstellen. Ein Dichter, der Schül. Er sieht nicht sehr schön aus, denn eine Handgranate ist während des Krieges gerade vor seiner Nase geplatzt. Das hat ihn ziemlich demoliert. Aber sonst ist er sehr klug. Ich denke, Sie werden gut mit ihm auskommen. Und dann war er ein großer Freund des verschwundenen Pieterlen…«
Mit gewollter Gründlichkeit zog Studer sein Büchlein aus der Tasche und notierte: »Wasem Irma, Pflegerin…« »Wie alt?« fragte er, und nachdem ihm der Oberpfleger Weyrauch Auskunft gegeben hatte, schrieb er: »22jährig.«
Matto und der rothaarige Gilgen
Von dem breiten Gang, der, wie alle Gänge der Anstalt, nach Bodenwichse und Staub roch, zweigte rechts ein schmälerer ab, und dann kam die Küche… Sie war hellblau gestrichen, und eigentlich war es gar keine Küche, sondern ein großer Raum zum Abwaschen. Ein Becken in einer Ecke mit den Hahnen für kaltes und warmes Wasser darüber, zwei riesige Fenster, die rechtwinklig zueinander standen: das eine blickte gegen das Mittelgebäude, das andere auf einen niederen Bau in der Mitte des Hofes, an dessen Ende ein Kamin aufragte.
»Hallo, Schül!« sagte der rothaarige Pfleger Gilgen, dem Studer übergeben worden war.
Ein Mann in einem blauen Schurz,
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