Mattuschkes Versuchung
bei Paul, die er zwar zu verbergen suchte, was ihm aber schlecht gelang. Es waren andere Blicke, die jetzt auf ihr verweilten, Versuche, sie öfter zu sehen oder in ihre Nähe zu gelangen, obwohl es keinen konkreten Anlass dafür gab. Diese Feststellung freute sie und versetzte sie in eine Aufregung, kaum dass sie ihn sah.
»Ich vermisse meine Tabakdose, hast du sie vielleicht irgendwo gesehen?«, es klang rührend hilflos, warum sagte er nicht einfach, ich mag dich, können wir uns treffen?
»Ich habe sie zuletzt bei Rudinskys gesehen, sie lag auf dem Tisch, ich erinnere mich genau, die Serviette hat sie verdeckt. Wenn du möchtest, erkundige ich mich gerne bei ihnen, ob sie gefunden wurde?«
»Das wäre sehr lieb von dir, vielleicht habe ich sie auch hinterher noch benutzt, ich kann mich wirklich nicht erinnern.«
»Was ging dir denn da wohl durch den Kopf, was dich so abgelenkt hat?«, fragte sie schelmisch.
Sein verlegenes Lächeln löste eine Welle der Zuneigung in ihr aus, sie sagte aber nichts weiter. Wie gerne hätte sie sich auf der Stelle in seine Arme geworfen. Ihre Nachfrage bei der Garnelenfarm blieb ohne Erfolg. »Joachim ist leider nicht da«, waren Idas erste Worte, als sie sich meldete, noch vor der Begrüßung.
»Richte ihm bitte schöne Grüße aus«, sagte sie, nachdem die Frage nach dem Verbleib der Dose nicht geklärt werden konnte. Sie war der Meinung, Ida diesen Gruß anstandshalber schuldig zu sein.
»Er kann ja zurückrufen, sobald er wieder da ist«, sie legte auf, »verflixt noch mal.«
In der Försterklause arbeitete sie jetzt nur noch an einigen Wochenenden und sah Gila dadurch seltener als ihr lieb war. Die freie Zeit verbrachte sie, wenn möglich, mit Siegfried, da blieb nicht viel Gelegenheit für gemeinsame Treffen. Deshalb fuhr sie am Abend zu ihr, um von der neuesten Entwicklung zu berichten; sie schwärmte, was bisher eher selten war.
»Ich bin mal gespannt, in wen du dich diesmal verguckt hast, bisher konnte ich ja nicht in Jubelschreie ausbrechen.«
»Bis dahin hattest du ja auch ein völlig falsches Männerbild, der Mann, dein Feind«, stichelte Louise.
»Wie du siehst, habe ich es inzwischen kräftig revidiert, nur dein Mattuschke gibt mir noch Rätsel auf, aber die werde ich auch noch lösen. Was machst du am Samstag?«
»Heinz hat Theaterkarten, wir sehen uns die Operette Gasparone an, Vera spielt mit.«
»Aha, mit ihm in trauter Zweisamkeit, dem Mann mit dem nichts ist und nichts wird«, lachte sie, stimmte einen Walzer an und drehte Louise im Takt der Musik herum.
» Er soll dein Herr sein, wie stolz das klingt …«
»Und was soll das jetzt?«, rief sie kopfschüttelnd.
»Eine der Glanzarien aus der Operette, meine süße Louise, du solltest dich besser vorbereiten!«
Sie musste anerkennend lächeln, das hätte sie Gila nicht zugetraut, man sollte sie nie unterschätzen.
»Toi, toi, toi für deine neue Schwärmerei, ich drücke dir die Daumen.«
»Diesmal ist es mehr als das.«
»Ich vermute auch Louise, schön, dass du gekommen bist.«
Louise betrat das Theater in einem aufregenden, rückenfreien ponceau Abendkleid, das Heinz ihr zu diesen Anlass geschenkt hatte, eine Augenweide. Sie erlebten die spielfreudige Aufführung musikalisch leichter Kost, geschickt inszeniert, ohne den üblichen Operettengrünspan. Louise hatte Vera schon in verschiedenen Rollen erlebt und auch diesmal fragte sie sich, wie es ihr möglich war, wieder in eine völlig andere Person, die der leichtfertigen Sora Braut des Schmugglers Benozzo, zu schlüpfen. Nach der Vorstellung, als sich das Ensemble vor dem Publikum verbeugte, trat Amina an den Bühnenrand und warf ihr rote Rosen zu. Später saßen sie gemeinsam im Künstlercafé zusammen. Vera war erschöpft und glücklich, sie hatte zwar nur eine Nebenrolle in dem Stück, die sie aber mit Temperament, Tanz und Bewegung ausfüllte. Liebevoll legte sie Louise den Arm um die Schultern.
»Danke, dass ihr gekommen seid, ich habe mich sehr gefreut, dich hier zu sehen.«
Louise fing den Blick von Amina auf, sie lächelte, aber eigentlich lächelten nur ihre Lippen, die Augen blieben ohne Gefühl. Vielleicht hatte Marquard nicht unrecht. Amina war berechnend und schien sich mit Mattuschke ohne Worte zu verstehen, wie Geschäftspartner, so deutete sie jedenfalls ihre Gesten und Blicke.
Junge Leute kamen herein und suchten nach freien Plätzen, ihr Herz stockte für einen Augenblick, Paul war darunter. Er wirkte ganz anders, ohne
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