Mattuschkes Versuchung
Augen, und doch löste er etwas in ihr aus, was bisher keinem allein durch bloße Anwesenheit gelang. Konnte sie meist mühelos erkennen, ob und in welchem Maße sie einem Mann gefiel und sie in der Lage war, ihn zu verunsichern, blieb sie in diesem Falle ratlos. Es war nicht ausgeschlossen, dass er die unscheinbare und seit Jahren in sich verkrochene Alice für attraktiver hielt. Seinen Reaktionen war nichts zu entnehmen, ein Umstand, der entscheidend zu Alices Wohlbefinden beitrug, wurde ihr doch früher schnell demonstriert, welchen Rang sie auf der Begehrlichkeitsskala einnahm.
Louise ertappte sich häufiger dabei, in Mußestunden an ihn zu denken, sich vorzustellen, in seinen Armen zu sein und unstillbare Lust bei ihm zu erleben. Heimlicher Nutznießer solcher Imagination war allein Mattuschke in seinem Beobachtungsstand. In Gedanken an Paul, sprang sie morgens freudig aus dem Bett oder begann den Tag missmutig, wenn sie wusste, dass er nicht da war. In ihrer Phantasie war er ihr Prinz, von dem sie träumen konnte, in der Realität war es Mattuschke, der körperlose, dem sie unendlich viel verdankte.
Rudinskys luden ein. Gemeinsam mit Mattuschke fuhr sie zur Forellen- und Garnelenfarm. Zu ihrer Überraschung trafen sie dort Paul Ganthner. Rudinsky hatte der Universität einen Forschungsauftrag erteilt, in den auch das Institut einbezogen war. Sie wusste nichts davon. Zuerst folgte eine Besichtigung der Anlagen und kurze Diskussion. Ganthners interessante Ausführungen schlossen sich an.
Ida legte ihren Arm um sie und zog sie ein Stück mit. »Ich freue mich, dass du endlich mal zu uns kommst Louise, ich möchte dir meinen Sohn Joachim vorstellen.«
Joachim Rudinsky war ein netter junger Mann in ihrem Alter mit dem ehrlich offenen Blick seines Vaters, roten Wangen wie die einer Fruchtsaftwerbung, zupackend, etwas hemdsärmelig in den Manieren, aber authentisch. Er war für den Erfolg des Unternehmens entscheidend verantwortlich. Ida blieb eine Weile bei ihnen stehen und lächelte zufrieden. »Entschuldigt, die anderen Gäste warten, ihr habt euch sicher eine Menge zu erzählen.« Die Absicht, sie mit ihrem Sohn zusammenzubringen, war unverkennbar.
Paul Ganthner hatte den freundlichen Umgang mit Louise beobachtet, er hätte nie damit gerechnet, sie hier anzutreffen. Ihm blieb auch nicht verborgen, dass sie in Mattuschkes Schlepptau kam. Der also ist ihr Freund, dachte er. Es hatte ihn schon lange interessiert, zu erfahren, wer wohl der Geheimnisvolle ist, von dem man wusste, dass er Autos verschenkte, jetzt sah er ihn wirklich vor sich und nicht nur als Phantom. Der Mann dürfte doppelt so alt sein und zweifellos Geld haben, war sein erster Eindruck. Er schloss es aus dem selbstbewusst sicheren Auftreten und dem unverkennbaren Parfüm des Erfolgs, das solche Leute umweht und Frauen nach seiner Erfahrung magisch anzog.
Louise war ihm schon am ersten Tag aufgefallen, als er zum Institut kam. Damals war sie noch Studentin und mit einem ungehobelten Typen zusammen, der sein Auto frech hinter die Absperrung fuhr. Er war kein Freund pathetischer Formulierungen, aber in diesem Falle traf es zu, dass eine Frau ihm beim ersten Anblick tatsächlich den Atem nahm. Betrat sie einen Raum, spürte er augenblicklich, wie die Luft dünner wurde, das Licht sich zu verändern und eine elektrische Aufladung zu entstehen schien. Einmal, als sie sich unabsichtlich berührten, spürte er ein derart elektrisierendes Zittern! im Körper, dass er um ein Haar das Klausuren-Paket fallen gelassen hätte. Sie dürfte es ebenso wenig gespürt haben, wie sie ihn nicht wahrzunehmen schien. Als Weidenfels sie in das Team berief, machte sein Herz einen Freudensprung, gleichzeitig überfiel ihn blanke Angst. Wie sollte er einer solchen Situation begegnen, Ruhe und Konzentration bewahren, wo es ihn ständig drängte, sie in den Arm zu nehmen und er sich in jeder Sekunde sagen musste, sie ist deine Kollegin, die Partnerin eines anderen, mit der du sachlich und neutral zusammen zu arbeiten hast?! Sie strahlte natürliche Schönheit aus, alles an ihr war echt und ungeschminkt. Er liebte den Anblick ihres ebenmäßigen Gesichts mit dem kessen kleinen Leberfleck, ihre fröhliche, temperamentvolle Art und den schwingenden Gang. Stundenlang hätte er ihr hinterher sehen können und dem fließend blonden Haar. Vor allem mochte er ihre ruhige, modulierte Stimme mit dem angenehmen Klang, die nichts Lautes hatte. Er hasste das Laute, Polternde bei
Weitere Kostenlose Bücher