Mattuschkes Versuchung
die ihren Arm um ihn legte.
»War das seine Frau?«, fragte sie. »Ja, das war Martine, damals meine tüchtigste Mitarbeiterin, ein Engel. Sie war unsere heimliche Tochter.«
Er hielt inne in Erinnerung an sie, schien mit seiner Rührung zu kämpfen: »Ich habe sie wie ein Vater geliebt.«
Louise blätterte weiter, es folgten Zeitungsausschnitte von einem Autounfall und einer Todesanzeige. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Kornfeld nahm ihr die Mappe aus der Hand und legte sie aufgeschlagen auf den Tisch. »Heinz war ein äußerst cleverer, ehrgeiziger junger Mann mit Manieren und vielen Talenten, als ich ihn einstellte. Er hatte Weitblick, Verhandlungs- und Überzeugungsgeschick wie kein zweiter, Mut und Geduld, was den meisten hitzigen Burschen in diesem Alter fehlt. Er ließ sich nie, fast nie, zu unüberlegten Reaktionen verleiten, alles was er tat, war abgeklärt, kalkuliert, vorausberechnet. Ich hatte mir ein kleines Wirtschaftsimperium aufgebaut, nicht immer mit legalen Mitteln, inzwischen habe ich alles verkauft und lebe von den Erlösen«, er lächelte zufrieden, »gar nicht mal so schlecht, wie Sie sehen. Er wurde zu meiner rechten Hand und sehr erfolgreich, wirklich außerordentlich erfolgreich. Wir fanden auch privat zueinander. In der Durchsetzung unserer Interessen war er eiskalt, das Geschäft verlangte es.« Er sagte es mit der Andeutung eines entschuldigenden Blickes. »Obwohl er blendend aussah, gab es nie Frauengeschichten, ich dachte schon, er habe andere Neigungen. Dann brachte ich ihn mit Martine, unserem Engel zusammen, die beiden wurden ein Paar, meine Frau und ich waren glückliche Trauzeugen. Wir fühlten uns wie Brauteltern.«
Er nahm einen vorsichtigen Schluck aus dem Glas, behielt ihn lange im Mund, bevor er ihn langsam die Kehle hinunter gleiten ließ. »Diese wunderbare milde Glut«, murmelte er kaum hörbar. Er machte eine ausladende Handbewegung. »Sie waren ein Traumpaar, jedenfalls wirkte es so auf alle, mit Stil und Glamour. Ja, das hatte etwas, ganz ohne Zweifel«, meinte er in versonnener Erinnerung.
»Beide arbeiteten erfolgreich für mich weiter, hatten aber auch eigene lukrative Engagements. Da passierte etwas völlig Unvorhergesehenes«, er beugte sich zu Louise, als müsse er das Gesagte vor unerwünschten Zuhörern verbergen, »Mattuschke wurde erwischt, als er in das Schlafzimmer einer Frau eindrang, um sie zu beobachten und wurde verurteilt. Martine war untröstlich, sie zogen weg wegen des gesellschaftlichen Skandals und bauten eine neue Existenz in Ulm auf. Wir waren tief getroffen. Die Ehe bekam einen Knacks, wir wussten, dass Martine später einen jungen Mann lieben lernte und sich von Heinz trennen wollte, sie hat es uns kurz vor ihrem Tod erzählt. Und dann das.«
Er nahm das bedrückende Unfallbild aus der Mappe und knallte es vor sie hin auf den Tisch. »Ein unvermeidbarer Unfall durch technischen Mangel, noch dazu bei einer Autowerkstatt, wer glaubt denn das? Und nur kurze Zeit später das hier.«
Wieder entnahm er der Mappe zwei Zeitungsausschnitte, die eine verkohlte Hausruine und eine weitere Todesanzeige beinhalteten. Sie stutzte, als sie den Text las.
Dirk Messer. In der Blüte seiner Jahre starb er durch einen tragischen Unglücksfall. Er hatte noch so viele Pläne …
»Dirk Messer?«, wiederholte sie fragend. »Hieß nicht Ricks Bruder so, von dem er manchmal sprach im Zusammenhang mit einem Brand und der inneren Friedhofswerdung seiner Eltern, wie er es bezeichnete?«, murmelte sie leise vor sich hin.
»Ja, Dirk Messer, so hieß ihr junger Geliebter, was wohl keiner wusste, weil die beiden es aus Rücksicht auf Mattuschke geheim hielten. Er hatte gerade ein Sauna- und Massagezentrum eröffnet, als der Brand geschah, und er dabei umkam. Für mich waren das keine Zufälle«, rief er verbittert aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Gläser erzitterten. »Das waren Racheakte ganz nach Mattuschkes Stil, sorgfältig geplant, ohne Spuren zu hinterlassen.«
Louise schnürte es die Kehle zu. Sie glaubte Kornfeld, jetzt, wo sie die Zusammenhänge kannte, bekam auch seine Großzügigkeit gegenüber Rick einen Sinn, der nicht ahnte, wer seinen Bruder auf dem Gewissen hatte, und dass es so war, daran zweifelte sie jetzt nicht mehr. Das Grauen hatte sich plötzlich so in ihr Gesicht geschrieben, dass Kornfeld beruhigend ihre Hand nahm.
»Regen Sie sich bitte nicht auf, es ist ja nur eine Annahme, meine persönliche Meinung, kein
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