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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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untersuchen. Mirka lief ihr zwischen den Beinen durch. Das würde noch fehlen, wenn sie sich hier versteckte, wüsste Mattuschke sofort, dass jemand in seinem Schlafzimmer war. Sie packte die sich heftig sträubende am Kragen und sperrte sie ins Bad, sie sah kampfeslustig aus, als ahnte sie Louises Vorhaben.
    Die Wand schloss an Seiten und Decke bündig ab. Trotz kräftigem Schieben und Ziehen war sie nicht zu bewegen. Beim näheren Hinsehen entdeckte sie am linken Seitenabschluss einen Spalt, als ob der Schreiner die Abschlussleiste nicht genau gesetzt hätte. Plötzlich kam ihr eine Idee. Die Seite schloss an eine kleine Abstellkammer an, in der Frau Schlemil Geräte und Putzmittel verstaute. Sie öffnete die Tür. Der Raum müsste exakt die Tiefe des Schlafzimmers haben, da er dieselbe Wand besaß, zuzüglich der dort vorgebauten Bücherstellage. Optisch schien die Tiefe gleich zu sein. Sie lief in ihre Wohnung und kam mit einem Metermaß zurück. Exakt dieselbe Tiefe. Also musste auch die Abstellkammer den gleichen Vorbau haben und das konnte nur bedeuten, sie sagte es wie bei einer Quizfrage laut vor sich hin. »Die Bücher werden ein Stück nach links verschoben in eine doppelte Abstellkammerwand hinein. Eine wirklich raffinierte Konstruktion, die auf den ersten Blick niemandem auffallen konnte.«
    Ihre Hände zitterten, sie hatte die Lösung entdeckt, jetzt galt es nur, den Mechanismus zu finden, um das Bücherregal wegzuschieben. Sie probierte Verschiedenes ohne Erfolg, Schweiß trat ihr aus den Poren, sie war der Aufdeckung so nahe, aber das letzte Steinchen des Mosaiks fehlte. Sie ließ den Blick über die Wand bis zum Boden hinab schweifen. Dort gab es zwei Wülste, wie Türstopper zum Schutz der Wand eingebaut. Sie drehte und zog an dem, der am nächsten war. Es gab einen Ruck, als wenn man etwas ausklinkt. Jetzt ließ sich die Wand mühelos auf Rollen in einer tief liegenden Schiene nach links schieben. Beim Anblick, der sich ihr bot, schlug sie entsetzt die Hände vor den Kopf. Wie ein Panoramabild lag ihr Zimmer vor ihr, zum Greifen nahe. Der Durchblick des Spiegels offenbarte jedes Detail, sie hatte sogar das Gefühl, dass er vergrößerte, aber vielleicht war es nur Einbildung. Sie lief in ihre Wohnung, stellte die nicht transportierte Musikanlage leise an und löschte das Licht bis auf den warmen Schein der Stehlampe. Selbst bei dieser Beleuchtung waren Einzelheiten zu erkennen und die leise Musik hörbar. Wieder krampfte sich alles zusammen. Wie oft war sie arglos durch das Zimmer gelaufen, hatte im Sessel neben der Lampe verweilt, gelesen oder sich geliebt. Nichts war seinen Augen verborgen geblieben, nichts seinen Ohren, selbst das leiseste Stöhnen. Sie fühlte sich von seinen Augen vergewaltigt, wie vor einer hämischen Menschenmenge entkleidet und gesteinigt. Obwohl die Erinnerung ihr in den vergangenen Tagen tausende Bilder intimer Momente überspielt hatte, die sie vor Scham erröten ließen, wurde ihr das wahre Ausmaß der erniedrigenden Situation erst in diesem Augenblick bewusst.
    Sie ließ sich auf das Bett sinken und den unwillkürlich fließenden Tränen freien Lauf. Wie konnte solche Ambivalenz in einer Menschenseele stecken, liebevoller Wohltäter, der sie anbetete, zynisch feiger Vergewaltiger und womöglich kaltblütiger Mörder. Schauer liefen über ihren Rücken und erzeugten Gänsehaut. »Jeder Mensch trägt eine hässliche Seite, einen verachtenswerten Teil Ich in sich, der in jedem Moment ausbrechen kann«, hatte ihr Vater einmal gesagt. Als sie die Wand wieder verschließen wollte, fiel ein zusammengeklapptes Stativ hinunter, in einer schwarzen Lederhülle entdeckte sie einen Camcorder. Hatte er sie nicht nur heimlich beobachtet, sondern auch gefilmt? Die Vorstellung ließ sie schier verzweifeln. Regungslos verharrte sie einige Minuten, bevor sie die Wand zurückschob und den Hebel einrasten ließ.
    In der Wand stand ein kleines Holzkästchen zwischen den Büchern, das sie herausnahm und öffnete. Wie befürchtet, war es mit CDs gefüllt, alle mit einem ,L’ und verschiedenen Daten gekennzeichnet. Sie musste sie nicht ansehen, um zu wissen, was sie beinhalteten. Sie zog die Decke glatt und verließ den Raum, nicht ohne ihn abzuschließen, wie im früheren Zustand. Als sie das Bad aufsuchte, um sich die Hände zu waschen und das heiße Gesicht zu kühlen, sah sie einen Schemel an die fortlaufende Wand gerückt. Neugierig stieg sie darauf. In Augenhöhe war der

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