Mattuschkes Versuchung
Gelegenheit, kurz in seine Wohnung zu schlüpfen und in der Schublade nachzusehen. Der Kuli lag noch unverändert dort, sie atmete auf und steckte ihn ein. Er schien ihn nicht bemerkt zu haben. Sie schob die Schublade langsam zurück, aber da lag noch etwas, das ihr damals nicht aufgefallen war. Ein rechteckiges Metallstück. Vorsichtig packte sie es an, es hatte die Größe eines Diktiergeräts, wie Weidenfels es benutzte und war relativ schwer. Gerade wollte sie es zurücklegen, als ein Gedankenblitz sie durchzuckte. Das ist der Elektroschocker. Heidenreich hatte ihr erklärt, wie gängige Geräte aussahen, aber dies war ein illegal konstruiertes mit ungleich höherer Wirkungskraft. Hiermit könnte sie es Mattuschke heimzahlen. »Ihn mit den eigenen Waffen schlagen«, formten ihre Lippen. Wieder schlich Mirka vorbei und blickte argwöhnisch. »Du bist schon genauso hinterhältig wie dein verlogener Besitzer.« Sie steckte das suspekte Teil ein und nahm es mit in ihre Wohnung. Aufregung erfasste sie, könnte sie es wirklich bei ihm anwenden, würde es überhaupt funktionieren? Dann wurde ihr bewusst, dass man die Verwendung genauso feststellen würde wie bei Paul, und der Verdacht sofort auf sie fiele. Es war eine Spontanidee, nicht genügend durchdacht. Dass sie sich überhaupt mit solchen Gedanken beschäftigte, ließ sie den Kopf schütteln. Wäre sie wirklich in der Lage, einen Menschen zu töten? Schon der bloße Gedanke ließ ihr das Blut gefrieren, aber der Wunsch nach Vergeltung hatte sie mit aller Kraft erfasst.
Ihr Blick fiel auf die Plätzchen, die noch immer da standen, wo sie sie in der Eile abgestellt hatte, sie schüttete sie aus der Tüte in eine Porzellanschale. Verführerisch rochen sie, sahen nur etwas anders aus. Tante Else hatte experimentiert mit einem Schokoladenüberzug, der eine Hälfte bedeckte. Sie nahm eins, es schmeckte himmlisch. Else hatte sie eigens für sie gebacken, obwohl noch keine Weihnachtszeit war, sie musste daran denken, sich bei ihr zu bedanken.
Mattuschke läutete, drückte ihr einen Blumenstrauß in die Hand, den sie nur mit Widerwillen entgegennahm. Sie hatte das Gefühl, einen Kaktus in den Händen zu halten. Die üblichen Phrasen kamen, so gut wie hier könne sie es nirgendwo haben, ihr Auto sei repariert und stehe wieder zur Verfügung, ob sie sich noch an den Flachs mit dem Dankeskonto erinnere, er flehte, winselte fast.
»Du weißt doch, ich tue alles für dich.«
Leider ja, dachte sie angewidert, du tust in der Tat alles für dich. Sie werde sich das Ganze überlegen. Er wirkte erleichtert, krümmte sich und stand auf.
»Ich hab’s wieder im Rücken, die Autofahrten sind nichts mehr für mich«, er reckte sich ausgiebig, »ich lege mich gleich in die heiße Badewanne, das ist das Einzige, was mir dabei hilft.«
Beim Hinausgehen schnupperte er den betörenden Duft des Gebäcks. »Das darf nicht wahr sein, du hast wieder die traumhaften Plätzchen.«
»Nimm dir so viele du möchtest.«
»Nein, nein zwei drei reichen.«
Sie nahm einen kleinen Teller, legte einige darauf und war froh, als er ihr Zimmer verließ. Als sie hörte, dass er Wasser einließ, zog sie sich um, jetzt, wo er die Wanne bestieg, würde er sie nicht beobachten. Schnell sprang sie unter die Dusche. Ihr Zorn auf ihn war gewaltig, offenbar ging er wieder davon aus, sie kaufen zu können, damit ihm die private Peep-Show erhalten bliebe. Sie stöhnte laut auf: »Wie blöde bin ich nur gewesen?« Sie trocknete sich ab und schlüpfte in ihren Bademantel. Er hatte sie so sehr erniedrigt, brennend breitete sich der Wunsch aus, ihn ebenfalls zu demütigen, winzig klein an ihren Füßen liegen zu sehen, vor Scham zerflossen. Starker Jähzorn kam über sie, ließ sie nach dem Schlüssel greifen und mit noch feuchten Haaren seine Wohnung betreten.
Wenige Minuten vorher hatte er sich in das heiße Wasser gelegt, das seinen Rücken angenehm entspannte. Welche Wohltat. Er streckte sich lang aus, das Gespräch mit Louise war nicht schlecht verlaufen, unsicher wirkte sie, sie wolle es sich noch einmal überlegen. Was hätte es auch für einen Sinn auszuziehen ohne ihren Partner. Zwar hatte der Anschlag wieder nicht so geklappt, wie er es von seinen Leuten gewohnt war, aber nach allem, was er wusste, blieb der Zustand kritisch, so dass an ein gemeinsames Leben wohl nicht zu denken war. Im letzten Moment hatte sein Spion Hano kalte Füße bekommen und ihn wiederbelebt, der Waschlappen. Nur ein Denkzettel sei
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