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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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Tag ihres Lebens hatte sie sich anders vorgestellt, bejahte aber die alles entscheidende Frage des Standesbeamten, obwohl Gila und Louise bis zur letzten Sekunde auf Einsicht hofften, aber das gab es im Film und selten in Wirklichkeit. Die Feier endete mit wüstem Besäufnis, gekrönt von einer deftigen Schlägerei. Anschließend zog Freddy mit den Kumpels, die noch auf eigenen Beinen stehen konnten, über die Dörfer, wie er es formulierte und ließ die Angetraute in der Nacht alleine.
    Leilas Blitzheirat und anschließende Radikalernüchterung, die sie, wenn überhaupt noch, still und in sich gekehrt, im Silverspot sitzen ließ – ein Erstickungstod per Lachkrampf war bei dieser Stimmungslage kaum mehr zu befürchten – veranlasste Louise, kritischer über ihre Partnerschaft nachzudenken. Nicht, dass sie eine Hochzeit mit Rick in Betracht gezogen hätte, das war etwas, was sie sich überhaupt nicht vorstellen konnte, aber sie empfand, je länger sie mit ihm zusammenlebte, fehlende Gemeinsamkeiten und Interessen als schleichende Störfaktoren ihrer Beziehung. Natürlich musste man Kompromisse eingehen, das galt für sie und auch für Rick. Aber sie spürte keinerlei Bemühen von seiner Seite, sich ihr anzunähern, seine Interessensgebiete zu erweitern, über andere Themen als Arbeit, Mattuschke oder das Silverspot zu sprechen. Waren sie eingeladen oder hatten Gäste, saß er meist missmutig da, trug nur eloquentes Schweigen zur Unterhaltung bei und zündete allenfalls verletzende, zynische Raketen, die mancher Stimmung den ultimativen Todesstoß versetzten.
    »Ironisch darfst du gerne sein, aber nicht zynisch, Zynismus ist die böse Stiefschwester der Ironie«, warf sie ihm nach solchen Eskapaden vor. Für ihre Arbeit und Probleme interessierte er sich nicht, er las nicht gerne. Ihr hingegen bereitete das Schmökern besonderen Spaß – mehrfach hatte sie ihn vergeblich gebeten, mit ihr gemeinsam einen Roman zu lesen. Er mochte andere Musik als sie, ging früh zu Bett, während sie gerne aufblieb und morgens länger schlief. War er in den ersten Monaten noch aufmerksam und von zartem Parfumhauch umgeben, ließen auch diese Eigenschaften nach. Der Dreitagebart, den sie ab und an am Wochenende interessant und verwegen fand, wurde zur Regel; das Parfüm war seit dem Umzug angeblich nicht mehr aufzufinden. Aber auch, als sie ihm ein neues schenkte, war es nicht in der Lage, den scheinbar beschwerlichen Weg zu seiner Haut zurückzulegen. Stunden verbrachte er vor den Fischen sitzend und führte mit ihnen eine seltsame Konversation. Zu sorglos war sie in die Beziehung hineingeschlittert, dachte, gemeinsames Wohnen, gemeinsame Freiheit, Freunde und erotischer Reiz reichten aus für ein zufriedenes Miteinander. Das gelang nur für kurze Zeit, dauerhaft kann auf diesen spärlichen Fundamenten keine Partnerschaft begründet werden. Einander verstehen, gemeinsame Interessen, ein Partner, der neugierig macht, überrascht, unterhaltsam ist und dem man auf gleicher Ebene begegnen kann, das wäre das verbindende Band, das sie brauchte, wie ihr inzwischen bewusst wurde. In der neuen Wohnung fühlte sie sich restlos wohl, sie hätte das gemeinsame Glück intensiv genießen können, wären nicht der stille Kummer dieser Erkenntnis, Ernüchterung und die immer stärker mahnenden inneren Stimmen gewesen.
    Die von allen geliebte Fröhlichkeit kam ihr abhanden; inzwischen arbeitete sie wieder häufiger in der Försterklause, spürte insgeheim, damit der abendlichen Hausidylle entfliehen zu wollen. An diesen Abenden begann Rick, wieder alleine ins Silverspot zu gehen.
    »Mit dir ist doch etwas nicht in Ordnung, du siehst unglücklich aus«, sprach sie die braun gebrannte Gila an, die gerade zehn Tage Urlaub mit einem jungen Mann in Fuerteventura verbracht und sie eine Weile nicht gesehen hatte. Louise reagierte ausweichend, wusste aber, dass sie Gila nichts vormachen konnte. Sie fragte nicht weiter, erzählte vom klaren Meer der Playa d’Esquinzo, der kargen Schönheit der Vulkaninsel, die vom Reichtum langer, feinsandiger Strände lebt und den zärtlich verbrachten Stunden in einsamen Buchten. Louises Herz krampfte sich zusammen, als sie spürte, wie sehr ihr das in letzter Zeit fehlte. Sie mochte Ricks Wärme, seine Haut und die Hände, die erregend über ihren Körper streicheln und ihn in zarte Sensationen versetzen konnten, aber es kam immer seltener vor und seine Geduld für sie war meist erschöpft, bevor sich ihre Gefühle

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