Mattuschkes Versuchung
zuletzt so fröhlich sah.
Mattuschke bot ihr einen Golf ,mit Masern für einige Tage an, als Unfallfahrzeug hergerichtet, war er noch überall mit Spachtelflecken dekoriert und harrte der Lackierung, die sich verzögerte, so dass sie das Angebot dankend annahm. Zurzeit war asiatische Woche in der Klause, was anstrengende Abende versprach. Sie kam spät nach Hause, froh, das eigene Gefährt zu haben, die Füße schmerzten und das Einschlafen wollte lange nicht gelingen, so sehr putschten Hektik, Stimmengewirr, die Musik im Lokal und die nervösen Kommandos aus der Küche und vom Buffet auf. Mattuschke hatte ihr erste Arbeiten gegeben, Kalkulationsberechnungen, Buchungsvorgänge, Überlegungen zur Steuerersparnis, was in diesem Falle eine gnädigere Bezeichnung für Steuerhinterziehung bedeutete. Am Wochenende würde sie sich damit auseinandersetzen.
Überraschend rief Rick an, das war ungewöhnlich. »Entschuldige, dass ich so spät anrufe, aber ich versuche es schon eine Weile, du bist sicher gerade aus der Klause zurückgekommen und todmüde.«
»Erster Preis, du hast es erraten; Panneder verdient sich eine goldene Nase und wir laufen uns Blasen an die Füße. Was gibt’s?«
»Ich wollte nur wissen, ob du etwas von Eric gehört hast, er ist seit Tagen nicht ins Silverspot gekommen und telefonisch nicht erreichbar.«
»Mich hat er vor kurzem angerufen und gefragt, wann ich in die Disco komme. Ich sagte ihm, dass in der Klause die Hölle los ist und es vorerst nicht klappt. Dann wollte er mir sein Gedicht am Telefon vorlesen. Ich war zu geschafft und habe ihn vertröstet. Ich glaube, er war ziemlich enttäuscht.«
»Der Kerl nervt langsam mit seiner Wortsülze, ich hab ihm neulich etwas an den Kopf geworfen, nichts Nettes, war aber gar nicht so gemeint. Er ist sofort aufgestanden und gegangen. Ok, wenn du nichts weißt …, schlaf gut und sei auf der Hut vor Mattuschke.«
Am nächsten Tag erfuhr sie, dass Eric nach einem Selbstmordversuch in die Uniklinik eingeliefert worden war. Mit Valium und Schlaftabletten, die er seinen Eltern entwendet hatte. Louise war geschockt und machte sich Vorwürfe, ihm und seinen literarischen Ergüssen nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Persönliche Probleme waren ihr wichtiger gewesen, als die des Freundes, sie wusste doch um seine Sensibilität. Wie sich herausstellte, hatte er vergeblich auf das Gespräch mit Louise gewartet, dann unglücklicherweise Rick die Verse präsentiert und erwartungsvoll seine Meinung erfragt. Ricks Kurzrezension lautete prägnant, hoffnungslos und fäkalistisch: »Gequirlte Scheiße.« Am Tag danach erhielt er das Manuskript von dem Verlag zurück, in den er große Hoffnungen setzte, überzeugt, diesmal ein Meisterwerk der Lyrik geschaffen zu haben. Man lehnte es mit der wenig barmherzigen Empfehlung ab, es immerhin zur Wärmegewinnung im Kamin verwenden zu können. Das überforderte seine sensible Seele.
Hätte sie schon damals ehrlicher mit ihm umgehen müssen, ihm ihre Meinung offen sagen sollen, natürlich nicht mit Ricks beleidigenden Worten? Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, er war ein wertvoller, feinfühliger Mann. Die wirren Zeilen seines Gedichts gingen ihr noch einmal durch den Kopf, welch starke Gefühle mussten sein Inneres bewegt haben, als er versuchte, ihnen damit Ausdruck zu geben. Wie viel Hoffnung strahlte er aus, als er zuletzt im Silverspot auf ihre Kritik lauerte und sie das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. Sie barg ihr Gesicht in beide Hände, musste weinen. Es half, etwas von der vermeintlichen Schuld wegschwemmen zu lassen. Hoffentlich überlebt er, war ihr einziger Gedanke. Länger saß sie regungslos im Sessel. Hatte es geläutet? Sie hob den Kopf, tatsächlich, fuhr sich über die feuchten, verquollenen Augen, schnäuzte sich und öffnete die Tür. Mattuschke stand da mit einer Tasse dampfender Schokolade, sogar ein Sahnehäubchen war darauf drapiert.
»Mir war plötzlich so, als hättest du Kummer, da hat bei mir heiße Schokolade immer Wunder gewirkt.« Sie war total verwirrt, musste fürchterlich aussehen.
»Woher wusstest du denn …?« Er war schon verschwunden. Sie trank einen Schluck, das heiße Getränk war reine Medizin, genau das, was sie jetzt benötigte, flüssig warmen Trost. Der Mann war ein Goldstück und schien den sechsten Sinn zu haben. Ein dankbares Gefühl durchströmte sie, welch ein Glück, dass sie ihn kennengelernt hatte und hier wohnen durfte.
Louise besuchte Eric
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