Mattuschkes Versuchung
beiläufig.
»Hm, er ist sympathisch und intelligent, soweit ich das beurteilen kann«, sagte er und schob sich den Rest eines Marmeladenbrötchens in den Mund. Für hausgemachte Erdbeermarmelade würde er meilenweit laufen. Er bekam sie von Ida Rudinsky, keine machte sie so gut wie sie.
»Allerdings«, sagte er gedehnt, »scheint er mir etwas instabil zu sein, schwach, kein Mann für eine Frau, die Treue bevorzugt, bei der ersten Versuchung fällt er um.«
»Da liegst du sicher falsch, Heinz, ihm geht nur sein Roman im Kopf herum, nichts anderes.«
»So, bist du ihm nicht trotzdem durch den Kopf gegangen? Außerdem ist er ein selbstverliebter Beau.«
Das fehlte noch, dass ihm die Märchentante seine Mieterin abspenstig machen würde. So wie er den Typen einschätzte, trug der vor dem Spiegel heimlich Frauenkleider. Er grinste unwillkürlich.
»Was denkst du gerade, warum lachst du?«
»Ach, es ist nichts, ich habe nur an seinen Buchtitel gedacht. Kommt Gott aus der Hölle, wie kommt man nur auf eine solche Idee?«
Und wie war er selbst auf die seine gekommen, die ihn gerade durchzuckte?
»Übrigens habe ich mir gedacht, vielleicht im nächsten Monat einen Grillabend im Garten zu machen, würdest du mir dabei ein wenig helfen? Ich könnte ihn ja mit meinem fünfzigsten Geburtstag zusammenfallen lassen, den ich eigentlich nicht feiern wollte. Du kannst gerne den Romancier mitbringen.«
Louise sagte nichts, wunderte sich aber immer wieder, wie treffsicher Mattuschkes Einschätzungen waren, wie traumhaft sicher er Wünsche oder Nöte erriet und ihre Ansichten vertrat, ehe sie sie offengelegt hatte, wenn sie ihm von abendlichen Telefondisputen erzählte, so als wäre er dabei gewesen. Sie empfand tiefe Zuneigung für den Mann, mit dem sie sich blendend verstand und harmonischer zusammenlebte, als die meisten Ehepaare. Jetzt musste sie sich ein zufriedenes Lächeln verkneifen.
Eine Woche danach bekam Karsten nette Gesellschaft an der Theke. Ein Reisender, mit dem er ins Gespräch kam, interessierte sich brennend für sein laufendes Buchprojekt und hatte beste Verbindungen zu einem der großen Verlage, wie er sagte.
»Ich kann mich für Sie einsetzen, nahe Verwandtschaft, wissen Sie. Ich bin begeistert von Ihrer Schreibe, nie könnte ich das.«
Er gab ihm seine Visitenkarte, die er vorsichtig in die Tasche steckte, wie einen Diamanten. Karsten Selig schwebte im siebten Poetenhimmel, welch ein Glück, diesen Mann getroffen zu haben, der sein großes Talent mit einem Blick erkannte. Lange unterhielten sie sich. Als er von der Toilette kam, stand ein Glas Campari-Orange auf seinem Platz.
»Auf ihr Wohl junger Thomas Mann und Ihren großen Erfolg.« Sein Gönner hob das Glas und stieß freundschaftlich mit ihm an. War es die Aussicht auf den baldigen Erfolg oder der Alkohol, plötzlich drehte sich alles, Karstens Beine wurden schwer, er wollte etwas sagen, aber es gelang ihm nicht. Sein Begleiter, der schon die Rechnung beglichen hatte, ließ das Glas unauffällig in seiner Manteltasche verschwinden, packte Karsten energisch unter dem Arm und schleppte ihn zum Wagen, der direkt vor dem Ausgang parkte. Wenig später waren sie in der Wohnung von Amina, der ,Edelkurtisane' . Karsten befand sich in einer Art Ohnmacht. Schnell entkleidete man ihn und machte Aufnahmen mit der nackten Amina.
»Wie viele Tropfen hast du ihm verabreicht?«, wollte sie wissen.
»So viele, dass er wenigstens noch eine Stunde besinnungslos ist.«
Sie kleideten ihn notdürftig an und legten ihn auf einer Parkbank ab, wo er Stunden später erwachte, einen Malerpinsel mit frischer Farbe in tauben Händen. Er fühlte sich übel, hatte keine Erinnerung, wie er aus der Försterklause heraus und auf diese Bank gekommen war. Wahrscheinlich hatte er zu viel getrunken und das Zeug nicht vertragen, oder man hatte ihm? … Aber unmöglich, der nette Mann, der ihm noch seine Visitenkarte übergeben hatte. Er suchte zittrig in seinen Taschen, fand sie aber nicht mehr, dafür bemerkte er, dass seine Kleidung voller Farbflecke war, die er sich nicht erklären konnte. Mühsam versuchte er, sich aufzurichten, als eine Polizeistreife vor ihm auftauchte.
»Da ist ja der Schmierfink, erst das ganze Gebäude versauen und sich dann betrunken davorlegen, das wird dich eine Stange kosten, bester Freund.«
Sie halfen ihm in den Streifenwagen, er war zu matt, um sich zu rechtfertigen.
Am nächsten Abend, als Louise ihre Wohnungstür öffnete, trat sie auf einen
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