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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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Umschlag ohne Adresse, der unter der Tür durchgeschoben war. Sie hing ihren Mantel an die Garderobe und riss ihn auf. Fotos fielen heraus, sie bückte sich und verharrte in ihrer Haltung. Das konnte unmöglich wahr sein, sie setzte sich auf das Bett und leerte den Umschlag aus. Sie zeigten eindeutig Karsten in den Armen einer nackten Frau; nach den aufgedruckten Daten zu urteilen, waren sie ganz aktuell. Sie war betroffen und konnte das Gesehene nicht fassen.
    »Dann hatte Heinz recht«, murmelte sie nach einer Weile, »und mit den Kleidern im Schrank verhält es sich auch anders, von wegen Schwester … Ich reize die Männer wohl dazu, mich zu betrügen«, sagte sie in bitterer Ironie. Gerade hatte sie ihm noch von dem schmerzlichen Ende mit Rick erzählt und seine geheuchelte Anteilnahme empfunden, da war er schon in den Armen einer anderen. Sie ließ sich hinterrücks auf das Bett fallen, spürte gallebitteren Geschmack im Mund und eine alles überdeckende Traurigkeit. Heute wollte sie mit niemandem sprechen, keinen Menschen mehr sehen.
    Mit heftigen Kopfschmerzen wachte sie am Morgen auf, das Telefon schrillte. Gila war am Apparat.
    »Stell dir vor Louise, dein Karsten hat ein paar Stunden auf der Polizeiwache verbracht. Die Streife hat ihn gestern halb nackt und betrunken auf einer Parkbank gefunden, die Klamotten voller Farbe, mit der er das Rathaus besudelt hat. Der ist völlig hinüber, kann sich angeblich an nichts mehr erinnern. Was hast du denn mit ihm gemacht?«
    Louise war konsterniert. »Nenn mir bitte seinen Namen nicht mehr, das muss ein exklusiver Abend gewesen sein, inklusive Erotikprogramm und Malstunde. Brauchte er wohl als Anregung für seinen Roman.« Sie musste plötzlich weinen.
    »Ich verstehe gar nichts mehr«, hörte sie Gila sagen, »soll ich vorbeikommen, ich bringe frische Brötchen mit, oder hast du schon gefrühstückt?«
    »Danach ist mir nicht zu Mute. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt einen Bissen hinunterbringe. Ich bin so niedergeschlagen. Aber es wäre lieb, wenn du kommen kannst.«
    Gila sah sich die Fotos an.
    »Eigenartig, entweder hat er die Augen geschlossen oder schaut wie high aus. Er kann sich angeblich an nichts erinnern und meint, irgendeiner hat ihm etwas verabreicht.«
    »Wieso macht man Bilder und lässt sie mir zukommen?«
    »Ich habe keine Ahnung, eine Macke hat er in jedem Fall, wie käme er sonst dazu, das Rathaus zu streichen? Da sagt er allerdings auch, er wüsste nicht, woher Farbe und Pinsel kämen. Wenn man ihn als Schriftsteller zum Gespött machen möchte, werden die Fotos sicher noch an die Presse lanciert. Gib mir doch eins davon mit, vielleicht erinnert er sich ja auch nicht an die Dame, in deren Armen er gelegen hat. Die hat ja Holz vor der Hütte, das für drei strenge Winter reichen müsste.«
    »Meinetwegen kann er sie alle haben«, sagte Louise deprimiert. Gila nahm sie tröstend in den Arm: »Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach einfach Limonade daraus! Er ist ohnehin nicht der Richtige für dich; außerdem hat er einen traurigen Hintern. Übrigens ist mir das ideale Geburtstagsgeschenk für Deinen Mattuschke eingefallen: – Wellblech glättende Faltencreme – ist das nichts?« Louise verzog nur das Gesicht, sie war nicht aufzuheitern. »Du hast jetzt den Blues, deshalb habe ich dir etwas mitgebracht, zum Trost. Eine junge Frau mit deinem Temperament muss nicht auf den nächsten Mann warten, um sich Wünsche zu erfüllen«, sie grinste breit und überreichte ihr das noch in Folie eingeschweißte kleine Wunderding, gerade als Messeneuheit erworben, »als wenn wir von den Männern abhängig wären.«
    Karsten versuchte Louise von seiner Unschuld zu überzeugen, aber sie wollte nichts davon wissen und ihm keine Chance geben. Die Ereignisse hatten sie desillusioniert, realistisch betrachtet, waren bei einem Zusammenleben mit ihm mehr Schwierigkeiten als Freuden zu erwarten. Er gab sich nicht damit zufrieden, es störte sein Ego, abserviert zu werden, und so suchte er sie in ihrer Wohnung auf, um persönlich mit ihr zu sprechen. Satz für Satz hatte er sorgfältig erarbeitet, er brauchte sie, ihre Inspiration, den verführerischen Körper und den Fahrdienst, wollte sie nicht aufgeben, zumal er sich keiner Schuld bewusst war. Aber das Tor war verschlossen, der Zaun nicht zu übersteigen. Er rüttelte und rief vergebens. Am nächsten Tag unternahm er einen neuen Versuch zu einem früheren Zeitpunkt.
    Schon vor dem Tor machte Mattuschke ihn aus.

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