Mattuschkes Versuchung
nutzt. Der wäre herrlich geeignet. Dazu würde ich dich mitbringen, ihr habt euch ja inzwischen kennen gelernt.«
»Ja, okay. Wenn du willst, kannst du auch den ganzen Tag über am See angeln oder Tischtennis spielen. Für mich ist es immer ein kleiner Urlaub. Nun sag schon ja und lass mich nicht so lange zappeln.«
Sie gab seinem Drängen nach, obwohl sie von den Leuten, die das Haus mit ihr teilen würden, niemanden kannte.
Für Karsten war es immer dasselbe; wenn er schrieb, überkam ihn jedes Mal das mulmige Gefühl mangelnden Vertrauens in sein Schreibvermögen. Oft flüchteten die Worte regelrecht vor seiner Feder und versteckten sich im Unterholz von Sprach- und Einfallslosigkeit. Immer musste er zäh mit den Zweifeln ringen und sie besiegen, aber noch nie gelang es so spielend wie diesmal, mit der Inspiration und dem Schwung von Louise. Das musste er sich unbedingt erhalten.
Sie holte ihn ab, mit gemischten Gefühlen, vielleicht hatte er sie auch nur gefragt, um einen Fahrer zu bekommen. Das Wetter schien mitzuspielen, ein reiner Tag. Sonne schon am frühen Morgen und wolkenloser Himmel. Während der Fahrt durch das liebliche Allgäu entspannte sie sich. Über kleine Seitenstraßen und schmale Wege erreichten sie schon früh den See, idyllisch gelegen und von dichtem Wald umsäumt. Das Sportheim wurde schon seit Jahren nicht mehr offiziell genutzt und an Ausflugsgruppen oder für private Feiern vermietet. Sport schien keiner mehr betrieben zu haben, dafür sah der Grillplatz aus, als er sei er noch vor kurzem genutzt worden. Würziger Duft nach Tannen und Harz füllte die Luft. Neben Schorsch, der allein mit Steaks und Würsten eintraf, waren sie die ersten. Karsten zeigte ihr das Haus, es war geräumiger, als sie es von außen vermutete. Es hatte mehrere spartanisch eingerichtete Zimmer mit herrlichem Ausblick, einen großen Speisesaal sowie Gemeinschaftswaschräume. Es strahlte Gemütlichkeit aus.
»Du glaubst nicht, was wir hier schon alles erlebt haben, viele Erinnerungen hängen daran«, sagte Karsten und blickte verträumt aus einem der Fenster. Von hier, aus den oberen Stockwerken, konnte man auch den Bach sehen, der die Morgensonne wie Metall reflektierte und am spitz zulaufenden Ende in den See mündete.
»Noch können wir uns das Zimmer aussuchen, Louise, für welches möchtest du dich entscheiden?«
Er hatte seine Tasche bereits in einem deponiert, das ihr das größte zu sein schien, ihr gefiel aber ein anderes im zweiten Stockwerk mit unvergleichlichem Ausblick in die Landschaft besser.
»Dann werden wir das okkupieren«, sagte er leicht gereizt, »wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«
Er hob Louise hoch und warf sie wie einen Mehlsack auf das Bett, das ächzende Laute von sich gab, der wuchtigen Herausforderung aber stand hielt.
»Wenn du das unter mahlen verstehst?«, lachte sie und ordnete ihre aus den Fugen geratene Kleidung. Er nahm sie in den Arm und küsste sie leidenschaftlich.
»Am liebsten würde ich sofort mit dir in die Kissen fallen, aber das können wir Schorsch nicht antun«, sagte er und zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Das wäre auch nicht in meinem Sinne«, bemerkte sie unterkühlt. Er machte den Fehler zu glauben, das, was er gerade fühlte oder mochte, sei identisch mit dem anderer oder seiner Partnerin. Bei Diskussionsthemen war es ähnlich, da blickte er fast erschrocken, wenn er merkte, dass ihre Meinung unerwartet von seiner abwich. Es ging ihm ähnlich wie denen, die am süßen Nektar des Erfolgs, der Bewunderung geleckt hatten und sich allein im Kegel des Lichts sehen.
Nach und nach trafen die anderen ein, allesamt sympathisch, unkompliziert und aufgeschlossen, mit denen sie sich schnell verstand. Man spürte, dass sie sich mochten und lange kannten, so vertraut der Umgang miteinander war. Sie hatte das Gefühl, dass man Karsten ein wenig belächelte oder ihn trotz seines Erfolgs nicht ganz ernst nahm.
Er hatte nicht übertrieben, den ganzen Tag über hielt Schorsch dem Grill die Treue, egal zu welcher Zeit man ihn aufsuchte, immer hatte er gerade etwas fertig, was verführerisch roch und schmeckte. Louise gehörte zu den Mutigen, die ins eisig frische Wasser sprangen, gemeinsam mit Garnet, einer bildhübschen Amerikanerin mit überaus kräftigen Oberschenkeln, der sportlichen Gioya und Viktor, den der Sprung ins Eiskalte erhebliche Überwindung kostete, die er den Frauen gegenüber nicht eingestehen wollte. Abends saßen sie beim Lagerfeuer, sangen und
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