Matzbachs Nabel
Beerdigungen tanzen. Fünftens: Für einen Bauchredner wird notfalls Jorinde selbst ihn halten, damit es eintrifft.«
Jorinde verzog keine Miene; Genengers Gesichtszüge verrutschten allmählich zu einem Grinsen. »Und die brünette Dame?«
»Ich hab Elvira eingeladen«, sagte Jorinde. »Die hat sich grad mit ihrem Macker verkracht und steht auf diese Sorte Typ wie Dittmer. Und er ist ein unberingtes Täubchen, also vermutlich nicht fest liiert.«
Heinrich blickte auf Baltasars gesenkte und gefurchte Stirn. »Flavio hat ein läßliches Techtelmechtel mit einer Info-Dame vom Kreis. Sehr läßlich. Und Baltasar ist über die Aussicht, das eine große Gemach auch noch mit Elvira teilen zu müssen, bestimmt ausgesprochen begeistert.«
»Blöde Kuh«, sagte Matzbach. »Du auch.« Er blickte Jorinde an. »Zwei in einem Gemach? Hoffentlich verkuppelst du sie sehr schnell mit diesem Sunnyboy da, sonst leih ich mir einen Kadavercontainer von Heinrich und leg mich da ab.«
»Armes monogames Kerlchen.« Jorinde tätschelte Matzbachs Hand. »Elvira hat ein Wohnmobil.«
»Mit Klo?«
»Mit.«
»Ah, das ändert die Sache.« Baltasar strahlte. »Wann kommt sie?«
»In drei oder vier Tagen.«
Genenger trank einen großen Schluck. »Könnte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden, außerdem. SobaldDittmer was Brünettes sieht, wird er an deine Vorhersage denken und sich entsprechend dusselig aufführen. – Was macht Elvira denn so? Hab ich ewig nich mehr gesehn.«
»Immer noch Psycho.« Jorinde lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Baltasar mag sie nicht. Vor ein paar Jahren hab ich die beiden miteinander bekannt gemacht.«
»Mach mich doch lieber wieder mit ihr unbekannt«, knurrte Matzbach.
»Na ja.« Genenger spähte zur Durchreiche, hinter der sich das knochige Gesäß des Wirts abzeichnete. »Daß Baltasar sie nicht mag, das heißt nichts. Wen mag der schon?«
»Ich bin eben wählerisch. Es können nicht alle so einen weiträumigen Geschmack haben wie du, was Leichen angeht und sonstige Bekannte.«
»Als wie Matzbäche?«
»Als wie dieser und jene. Im übrigen hege ich Hunger und Bedauern.«
»Furchtbar, furchtbar. Weshalb beziehungsweise wogegen?«
»Erstens auf eine Portion Fleisch. Zweitens ob der jähen Abreise dieses Flaviers. Ich wollte noch so viel von ihm wissen.«
»Das hat er wahrscheinlich geahnt und deshalb die Hexerei als Ausrede zum Abhauen genommen.«
»Was wolltest du zum Beispiel wissen?« sagte Jorinde.
»Ha; vielerlei. Zum Beispiel, wie das nun mit dieser gemeinen Gemeinde hier tatsächlich ist, abgesehen von dem wirren Gerede. Und wie man Politiker wird.«
»Hast du das vor?«
»Wenn ich mich verschlechtern kann …« Baltasar fletschte die Zähne.
»Er ist aber kein Politiker«, sagte Genenger. »Politiker werden in der Regel gewählt, nicht wahr?«
»
Nicht
wahr«, sagte Matzbach. »Keineswegs. Wo denn? Hier etwa?«
»Na ja, wie das in ner Demokratie so ist.«
»Ja, aber so ist es ja eben nicht. Nimm Bonn, zum Bleistift. Der CDU-Kandidat kriegt die absolute Mehrheit, und die Typen von SPD und FDP kommen per Liste auch in den Bundestag. Wenn also eh alle reinkommen, wozu dann noch wählen gehen?«
»Schon recht.« Genenger gähnte. »Und wie hätten sie es gern?«
»Direkt. De Gaulles System ist nicht schlecht, finde ich. Im ersten Wahlgang kommen die durch, die in ihrem Kreis die absolute Mehrheit haben, und wo es keine absolute Mehrheit gibt, macht man eine Stichwahl zwischen den zwei Bestplacierten.« Matzbach beugte sich vor; sein Bauch überlappte die Tischplatte. »Dann wüßten die Affenärsche wenigstens, von wem sie Geld und diese sogenannte Macht kriegen. Dann hätten wir Volksvertreter im Parlament, keine Parteienvertreter. Vielleicht wären die Typen dann ein bißchen weniger arrogant.«
»Daß ich das noch erleben durfte«, sagte Jorinde halblaut.
»Was?«
»Daß du, Matzbach der Große, irgendwem Arroganz vorwirfst. Toll.«
Baltasar grinste. »Ich bin ja auch nicht ungewählt zur Macht gekommen. Ich finde es nicht gut, von irgendwem regiert zu werden. Ein intelligentes Volk braucht keine Regierung, dafür ist Italien ein wundersames Beispiel. Und die Aufgabe einer intelligenten Regierung wäre es, das Volk nicht pausenlos mit irgendwelchem Quatsch zu behelligen,sondern ruhig und unauffällig die Dinge zu tun, die getan werden müssen, statt die echten Probleme auszusitzen und dauernd Sachen zu erfinden, die
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