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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mit jedem anderen Auto verwechselt. Die sehen doch alle gleich aus. Und innen das ganze Schickimicki, Rundum-Armaturen, Helikopterverkabelung, was weiß ich. Nein, das war ein richtig liebes altes Auto. Nur die wichtigen Dinge, die man braucht, und keine elektronischen Fürze, die wirklich überflüssig sind. Mein Fenster kann ich schon noch allein hochkurbeln, zum Bleistift.« Er seufzte, schloß die Augen wieder. »Herrlicher Traum. Herrliches Auto. Innen Omas Plüsch, Vorderbank zum Durchrutschen,Lenkradschaltung. Mhmhm. Außen richtiger oller Hai. Aber dann: neue Hydraulik, neue Elektrik, neues Getriebe, ich glaub von Ford, ein Siebeneinhalb-Zylinder-Motor aus Korea, alles bestens. Mir geht’s ja nicht um echt antik, sondern um außen schön und innen funktionieren.«
    »Deine Grammatik.«
    »Dafür bin ich zuständig; halt dich da raus. In meinem Traum ward also mein Traumauto gebastelt. War teuer, aber ich kann’s mir ja leisten. Und dann …« Matzbach riß die Augen auf. »Dann kam der böse Mensch vom TÜV und sagte April, April, geht nicht, nur Originalteile, und so weiter. Und da muß ich wohl gestöhnt haben.«
    »Armes Kerlchen. Mußt du in deinen Träumen immer mit fiesen Autos rumfahren, die dich anekeln?«
    »Just. Muß ich wohl. Bäh.«
    Jorinde streckte sich auf dem Bett aus, die Hände unterm Kopf. »Okay. Und was machen wir heute?«
    Baltasar wickelte sich aus dem Tuch, fahndete in unausgepackten Koffern, Kisten und Taschen nach einer frischen Unterhose, fand sie endlich, stieg hinein und suchte seine Obergewänder. Die beige Leinenhose lag unter dem Bett, der grüne Nikki vor dem Kamin. »Ja, was? Nichts, wie gesagt. Ich will ein bißchen lesen, dösen und weinbergekucken; außerdem will ich mir nen Zettel machen, mit Fragen.«
    »Was für Fragen?«
    »An Heinrich und den Rest der Welt.« Er blieb stehen, bückte sich, starrte unters Bett. »Ah, die gute alte Rennschabe. – Ja, Fragen. Irgendwie war das gestern alles ein bißchen sprunghaft. Ich hab keine eine Antwort gekriegt.«
    »Was willst du denn schon wieder alles wissen?«
    »Ah, nur unwichtige Sachen. Zum Beispiel, wieso Genenger uns hier in dieser Stallkapelle unterbringen kann, wenndoch alles der nichtexistenten Gemeinde gehört. Zum Beispiel, ob man nicht doch den Schlüssel für den neuen Trakt kriegen könnte. Zum Beispiel, wer eigentlich Osiris K ist.« Er gürtete die Lenden. »Vorletztes Loch; ich magere ab. – Zum Beispiel, welcherlei zünftige Beerdigungen Heinrich in den nächsten Wochen abzuhalten gedenkt; ich möchte doch mal irgendwas Abstruses sehen, bei ihm. Und dann wüßte ich noch gern, ob Gewährsleute in Bonn, etwa dieser murksige Lokalreporter Morungen, mir Informationen über ein paar Leichen beschaffen können, von denen Heinrich geredet hat. Und wie beliebt er hier bei Sargtischler, Steinmetz, Pfarrer und so weiter ist, unser Privatbestatter.«
    »Allerhand für einen Tag.«
    Matzbach nickte mehrmals nachdrücklich; irgendwas knackte in seinem Genick. »Eben. Lauter feine Fragen, die zu schade für die schäbigen Antworten sind, die ich auf sie kriegen werde. Man sollte sie vielleicht gar nicht stellen.«

7. Kapitel
    An diesem Abend machte sich Matzbach gründlich beliebt. Am Tresen einer Winzerkneipe in Rech nahm er einen Schluck Rotwein zu sich, bestellte Mineralwasser, faßte den Schoppen nicht mehr an und erklärte den übrigen Trinkern, was er von der Landwirtschaftspolitik der EG hielt.
    »Reine Planwirtschaft zur Herstellung von Agrarfabriken. Wenn alle Familienbetriebe abgeschafft sind und alle, auch ihr hier, und wir in der Stadt sowieso, nur noch KZ-Hühner und KZ-Schweine zu essen kriegen, dann werden die Bonzen glücklich sein. Wißt ihr überhaupt noch, wie ein Huhn schmeckt, das frei rumgelaufen ist und Würmer gefressen hat? Ja? Wißt ihr? Dann merkt es euch gut, damit ihr es nicht vergeßt; bald gibt’s das nämlich nicht mehr. Alles Humbug. In Spanien gibt’s ne Gegend mit wunderbaren alten Korkeichen, unter denen die Schweine rumlaufen, aus denen man später den Pata-Negra-Schinken macht, der so gut zu dem Wein schmeckt, der vorher mit den Korken verstöpselt war. Die EG hält das für unwirtschaftlich; die sollen die Eichen fällen, die Schweine in KZs pferchen und Weizen anbauen. Den braucht zwar keiner, aber wenn man ihn hinterher vernichtet, gibt’s Zuschüsse aus Brüssel dafür. Außerdem ist die EG schon allein deswegen Kokolores, weil sie es euch erlaubt, derart mieses gepanschtes

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