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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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nickte) und die Flaschen und zog sich wieder zurück. Die greisen Winzer am Tresen wechselten die Standbeine und schnaubten in ihre Gläser.
    Genenger goß nach. »Was der Dicke meint …«
    Matzbach hob das Kinn von den Fäusten und ließ die Arme vom Tisch gleiten. »Ich kann mich selbst bezichtigen oder wehren. Auch bedarf ich keineswegs eines Dolmetschers, o Herr der Särge.«
    Dittmers Augen kehrten erneut zu Jorinde zurück. »Ich mag Sie viel lieber ankucken als den beiden da zuhören.«
    »Trotzdem wüßten Sie gern, was ich eben von Ihnen wollte, ja?«
    Dittmer nickte. »Können Sie bestimmt verstehen, oder?«
    Jorinde lächelte. »Sie sind Skorpion«, sagte sie halblaut; absichtlich oder zufällig wurde ihre Stimme heiser und kehlig. »Im Lauf der nächsten Wochen werden Sie ein paarGesetze brechen, ohne dafür belangt zu werden, und ein paar weitere Gesetze elegant umgehen. Sie werden lieben und geliebt werden, an zwei Beerdigungen teilnehmen und interessante Entdeckungen machen. Jemand wird Sie für einen Bauchredner halten. Moment.« Sie beugte sich vor, berührte das Revers von Dittmers heller Leinenjacke, kniff die Augen zusammen und grinste. »Machen Sie den Mund zu. Einen Zahnarzttermin sollten Sie auch mal wieder einlegen. Die Dame, von der die Haare an Ihrer Jacke stammen, ist nicht die, von der Sie geliebt werden. Das Haar ist blond; die künftige Dame Ihres Lagers ist dunkelbraun. Ah, noch was. Ein bißchen Geld und Aussichten auf eine neue Position im Kreislauf der Dinge.«
    Dittmer starrte sie an, erinnerte sich an ihre Empfehlung und schloß den Mund. »Was …«
    Genenger kicherte. »Ich habe dir doch gesagt, sie ist Hexe. Kannste alles glauben, was sie sagt, Junge. Entweder es trifft ein, dann isses gut; oder es trifft nicht ein, dann isses egal.«
    Dittmer nickte langsam. Dann griff er in die Tasche, zog das Portemonnaie heraus, legte einen Fünfer auf den Tisch, stand auf und ließ das frischgefüllte Glas zurück. Über die Schulter sagte er: »Es gibt Unfug, den muß nicht mal ich mitmachen.«
    Matzbach zog den Inhalt seiner Nase hoch und blickte hinter Dittmer her, bis er das Lokal verlassen hatte. »Gut vergrault, Euer Liebden.«
    Jorinde hob die Schultern. »Der kommt wieder. Spätestens übermorgen.«
    »Und was soll das alles?«
    »Mir war grade danach.«
    Genenger umfaßte den Hals der nächststehenden Flasche, als ob er sie erwürgen wollte. »Irgendwie hab ich mich schonlänger gefragt, wie ihr zwei das miteinander aushaken könnt. Aber langsam versteh ich das. Gleich und gleich gesellt sich gern, sprach der Teufel zum Köhler.«
    »Ha bah bah.« Matzbach wackelte mit dem Kopf. »Lauter dummes Geschwätz. Wen hast du eingeladen, Jorinde?«
    Die Hexe schwieg einen Moment. »Du verblüffst mich tatsächlich, Dickerchen«, sagte sie dann.
    Genenger ließ die Flasche los. »Läuft hier irgendwas ab, was ich nicht verstehe?«
    Baltasar zündete die nächste Zigarre an. »Hm. Pfft pfft pfft. Kann sein. Jein. Vielleicht aber doch. Wenn schon, dann lieber nicht. Sowohl entweder als auch noch.«
    »Er meint«, sagte Jorinde, »im Prinzip allerlei, hat aber zur Zeit mit Ausdruckmängeln zu kämpfen.«
    »Gut, gut. Das kenne ich. Und?«
    »Und zwar« – Matzbach legte die Zigarre in den Aschenbecher – »kann ich mir da vieles zusammendenken, hexenmäßig. Elementar, Watson; wie Sherlock Holmes übrigens an keiner Stelle der kanonischen Werke je gesagt hat.« Er hob nacheinander Daumen, Zeige- und sonstige Finger. »Erstens: Das mit dem Sternzeichen ist kein Problem. Es soll Leute geben, die dran glauben, obwohl sich seit Einteilung des Himmels in Kreise die Sterne bewegt haben und das Zeichen Skorpion längst nicht mehr zu der Zeit am Himmel vorherrscht, zu der es den Horoskopisten gemäß herrschen sollte. Wer dran glaubt, kann so was vielleicht auch treffend raten. Ich glaube nicht an so was, aber sei’s drum. Zweitens: Dein Gebuddel, die Leichen und meine Anwesenheit machen die Überlegung, daß irgendwer hier in den nächsten Wochen Gesetze bricht, schon fast zu einem Kalauer. Außerdem ist es sowieso einer. Oder kennst du eine offiziöse Person in diesem unserem Lande, die nicht permanent irgendwelcheGesetze bricht und umgeht? Drittens: Interessante Entdeckungen finden immer statt, wenn Jorinde und ich irgendwo sind. Viertens: Zwei Beerdigungen in den nächsten Wochen ist noch unterhalb des Durchschnitts. Ein beliebiger Magistrat hierzulande müßte im Prinzip jeden Tag auf zwei

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