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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Weile später.
    Genenger nickte langsam und ließ Sand durch die Finger rieseln. »Bloß ein bißchen laut.«
    Jorinde blickte zu Baltasar, der auf dem Rücken lag und hemmungslos schnarchte.
    »Was mach ich mit dem? Wecken?«
    Genenger grinste; seine Zähne blitzten im Mondlicht. »Roll ihn in den Bach. Dann bist du ihn los.«
    »Ich will ihn noch ein bißchen behalten.«
    »Jeder nach seinem Geschmack. Ist er wirklich so benutzerfreundlich?«
    Jorinde kicherte. »Gelegentlich.«

6. Kapitel
    Alkohologramm
    Die Schnepfe zaust den Sockenhalter
    Falter hocken im Tunnelblick
    Schlickrunen geben keine Auskunft
    ob man Laubfrösche harken muß
    Musbarken und das vollgeschiffte
    Vollschiff aus den Nägeln der Toten
    gehen im Zwerchfell über Stag
    Erleichterung heischend
    hebt an Yggdrasils Mutterstrunk
    der Kosmops das Gebein.
    Jorinde legte die »Morganatischen Gesänge« beiseite. »Dieser Heimatdichter hier, Osiris K – ich glaub, das K steht für Knall. Jedenfalls hat er einen.«
    »Verwundert es dich, Gefäß meiner Morgenwonne?« Baltasar wickelte das langwierige Frotteetuch fester um die Lenden und blies über den heißen Kaffee. »Stell dir vor, du lebtest in der Wüstenei allhier – nix wie Windeln, Winzer, Wimpelträger. Oder so. Muß einem doch morganatisch zumute werden, oder?«
    Durch die angelehnte Tür strich ein Windausläufer; im Gesträuch und den nahen Bäumen am Flußufer randalierten Vögel. Es war kurz nach neun; die Sonne schillerte in den weiland Kapellenfenstern. Auf zwei Bodenfliesen verbreiterte ein roter Lichtstrahl sich zu einer Pfütze blutiger Tränen; Matzbach beobachtete die Schabe, die parallel zur Fugekroch, im warmen Rot anhielt, plötzlich beschleunigte und unterm Bett verschwand. Er nickte.
    Jorindes Mahagonihaupt erschien aus dem Ausschnitt eines T-Shirt. »Und was haben wir heute vor?«
    »Relativ wenig.«
    »Wie wenig?«
    »Ah, also genauer: relativ nichts.«
    »Sehr dehnbar. Ah, sag mal, du hast gestöhnt und gelacht.«
    Matzbach riß die Augen auf. »Wieso soll ich sagen, du hast gestöhnt und gelacht? Hast du? Wenn ja, warum nicht; vor allem aber wobei. Beziehungsweise bei was?«
    »Diese Nacht. Im Schlaf. Zuerst warst du besoffen. Dann hast du dich gewälzt. Dann hast du mehrfach gelacht und gegrinst wie ein satter Pavian. Und schließlich hast du gestöhnt und mit den Zähnen geknirscht.«
    Baltasar zerrte an seinem rechten Ohrläppchen. »Ha. Hab ich all dies vollbracht? Und du – hast du denn gar nicht geschlafen, Gespielin des Nachtwinds?«
    »Ich hab mit dem Nachtwind gespielt, du Trottel.« Sie lächelte, beugte sich vor, legte die Hand an seine Wange und ließ sich aufs Bett plumpsen. »Zwischendurch hab ich gelesen, weil du derart gelärmt hast. Manchmal hab ich auch geschlafen.«
    Baltasar dachte sichtlich nach. »Mhmhm. Ich muß was geträumt haben. Aber was? Du weißt ja, wie es mit der Realität ist. Kaum war sie da, schon ist sie weg. Träume halten nur wenig länger.«
    Jorinde stützte das Kinn auf die Fäuste; ihre grünen Augen blinkten. »›Erst schlägt es siebene, a Stund drauf schlägt es achte; von einer Stund zur andern weiß man gar nix mehr.‹ Meinst du das?«
    »Nein, nein; die Zeit ist eine Erfindung von Leuten, die nichts mit ihr anfangen können und sie deshalb dauernd teilen,um sie in den Griff zu bekommen. Ich sprach von wichtigen Dingen wie Politik, Stuhlgang, Wäldern und Steinen sowie Träumen. Ah, jetzt weiß ich’s wieder.«
    »Und?«
    Er schloß die Augen und schmatzte. »Ein herrlicher Traum. Du weißt doch, daß ich seit Jahren ein vernünftiges Auto suche. Diese Nacht hatte ich eins – und dann war’s wieder futsch.«
    »Was war’s denn?«
    Er lächelte selig, immer noch mit geschlossenen Augen. »Na was? Eine Pallas. Ich hab eine Pallas aufgetrieben, DS 21, bestens erhalten, Chassis und Innenraum jedenfalls. Nun sind die Franzosen ja nie in der Lage gewesen, ihre Autos so zu bauen, daß man irgendwo eine Schraube wechseln kann, ohne gleich den Motor rausnehmen zu müssen. Also bin ich mit meiner guterhaltenen Pallas zu einem Autotüftler gefahren in Godesberg. Alles im Traum. Und der gute Mann hat das Vehikel auseinandergenommen und neu wieder zusammengesetzt. Ein Auto, ah, so was von einem Auto!« Er öffnete die Augen, einen Moment wirkten sie trübe.
    »Was war denn so toll an deinem Auto?«
    »Also erstens von außen, das war ein richtiger alter Haifisch. Ein Wagen, der um mich paßt und den man nicht auf jedem Parkplatz

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