Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Schade um das Schränkchen, das mit der
Hyperion
untergegangen war, dachte er. Es war ein Geschenk von Catherine gewesen.
»Bedien’ dich aus dem Fäßchen, Allday. Und dann Schluß für heute. Gute Nacht.«
Allday verließ die Kajüte. Bolitho aß allein und zerstreut sein Abendbrot. In Gedanken war er schon daheim in Cornwall.
In den folgenden Wochen kämpfte sich die
Truculent
nach Nordwesten, an den Kapverdischen Inseln vorbei. Während der langen Heimreise durch die wechselnden Windzonen zog Bolitho sich noch mehr zurück als bei der Ausreise.
Allday wußte, daß Bolitho nichts zu tun hatte. Nicht einmal das Schiff durfte ihn beschäftigen, das war Polands Sache. Zwar umgaben ihn ständig Offiziere und Matrosen, wenn er an Deck kam, doch vom Admiral hielten sie sich fern.
Wenn er um die Mittagszeit oben erschien, beobachtete er den Master, der die Midshipmen an Karte und Sextant unterrichtete. Und er sah ins Logbuch, zählte die Tage und Etmale. Poland vermutete dahinter wortlose Kritik. Als Bolitho einmal Jenour wegen einer Kleinigkeit anfuhr, entschuldigte er sich hinterher: »Die Untätigkeit bringt mich noch um, Stephen.« Gereizt starrte er auf die leere See hinaus. In seinen Träumen war Catherine bei ihm. Doch immer wieder tauchte eine Hand auf, die sie wegzerrte, ohne daß sie sich dagegen wehren konnte.
Sieben Wochen und zwei Tage, nachdem sie den Tafelberg verlassen hatten, fuhr er in der Morgendämmerung hoch, weil Allday an seiner Koje stand, einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand. »Was ist los?« fragte er und folgte Allday in die Kajüte.
Draußen vor den Heckfenstern glitzerte die See hart und grau wie poliertes Zinn. Allday deutete aus dem seitlichen Fenster. »Ich weiß, es ist noch sehr früh, die Morgenwache ist gerade erst aufgezogen. Aber ich dachte, ich sollte Sie trotzdem wecken.«
Bolitho rieb mit dem Ärmel die Scheibe sauber. Keine brennende Sonne, kein beißendes Morgenlicht. Aus dem häsigen Grau an Backbord schälte sich Land, Brecher leckten an Felsen hoch. Ihr fernes Rumoren blieb unhörbar.
»Du weißt, wo wir sind, alter Freund? Ein perfekter Landfall! Um acht Glasen werden wir Falmouth querab haben.«
Er schritt in der Kajüte auf und ab, dankbar dafür, daß Allday ihn geweckt hatte und er hören konnte, wie der Mann im Ausguck laut aussang: »Land in Lee!« Es war nicht irgendein Stück Land, sondern Cornwall, das Kap Lizzard. Catherine würde jetzt wohl noch schlafen, ahnungslos, daß Bolitho ihr so nahe war.
Allday holte die Kanne. »Noch etwas Kaffee?«
Er wurde nicht gehört. Bolitho hatte das Medaillon geöffnet und starrte auf Catherines Bild nieder. Grau sickerte der Morgen in die Kajüte.
In der kleinen Kammer schlief Ozzard auf dem Boden, einen Arm über das Brandyfäßchen gehakt. Vorsichtig schob Allday ihn zur Seite, hielt den Becher unter den Hahn und füllte ihn. Endlich wieder zu Hause! Darauf konnte man schon einen Becher Brandy leeren.
An Deck schrillten die Pfeifen und rissen die Besatzung in den neuen Arbeitstag.
Es wurde wirklich Zeit, daß sie heimkamen.
Im Mondlicht
Bryan Ferguson wischte sich Schweiß von der Stirn und lehnte sich gegen den Zaunübertritt, bis er wieder ruhiger atmete. Der Seewind konnte nichts ausrichten gegen die starke Sonne, die auf Pendennis Castle niederbrannte und sich so grell auf dem Wasser spiegelte, daß man nicht lange aufs Meer schauen konnte.
Hier konnte er gar nicht oft genug stehen und den Ausblick genießen. Er lächelte. Seit zwanzig Jahren schon war er Bolithos Gutsverwalter – wirklich so lange? Das Haus lag hinter ihm am Hang eines Hügels, über den sich Äcker hinzogen, deren Ränder von Feldblumen überquollen. Das hohe Gras daneben wogte wie Wellen im Wind. Er kniff die Augen zusammen. Ein Pfad führte an der Klippe nach unten zum Strand, und auf halber Höhe stand dort die Frau an einer Biegung, an einem scharfen Knick, der gefährlich war des nachts oder wenn man ausrutschte. Dann wäre man unten nur noch tot angekommen.
Die Lady hatte ihn gebeten, oben beim Zaun zu bleiben. Wollte sie, daß er Atem schöpfte, oder wollte sie allein sein? Bewundernd schaute er auf sie hinunter. Ihr Haar, nur locker zusammengebunden, wehte im Wind, der ihr das Kleid an den Körper preßte. Sie sah aus wie eine Fee aus alten kornischen Sagen.
Bolithos Bedienstete hatten Catherine nur zögernd angenommen, doch mit niemandem im Ort über ihren Status getratscht. Inzwischen war jeder bereit, sie so zu
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