Maxie und ein Fisch mit Fernweh
Aufsätzen total scharf beäugt. Jeden Satz, den wir uns zuflüstern, kriegt sie mit. Sie scheint zu glauben, dass wir irgendwie gemeinsam unter einer Decke stecken, und sie hat damit ja sogar Recht. Nur nicht so, wie sie denkt. Wir haben unsere Aufsätze ehrlich nicht voneinander abgeschrieben, aber die Texte sind sich so ähnlich, dass man das wirklich denken könnte. Selbst Frau Rabe, der sie die Hefte zur Kontrolle zu lesen gegeben hat, glaubt uns nicht. Das nervt unheimlich. Schließlich brauche ich Frau Rabe dringend als Verbündete für den Band-Wettbewerb. Ich hoffe doch so sehr, dass sie mit Sebastian Pfeffer über mich und meinen genialen Plan, mit Herrn Schiller zu rappen, redet. Alleine traue ich mich das einfach nicht.
Endlich gongt es. Ich habe schon gedacht, die Stunde vergeht nie.
„Vor der großen Pause hat mein Vater eine Freistunde. Da baut er das Kuchenbüfett auf“, sprudelt Jonas direkt los. Er achtet gar nicht darauf, ob ihn jemand hört, so aufgeregt ist er. Eilig ziehe ich ihn hinaus auf den Gang, damit nicht im letzten Moment ein neugieriger Lehrer etwas aufschnappt.
„Hat total Spaß gemacht!“, jubelt er. „Die Idee mit der Senfsahne war echt spitze. Der Frankfurter Kranz sieht jetzt leckerer aus als vorher. Nur Luki hatte ein wenig Pech.“ Er grinst. „Er hat aus der Dose mit dem Pfefferzimt genascht, weil ich die auf meinem Schreibtisch stehen hatte. Als ich im Badezimmer zum Zähneputzen war, musste er plötzlich ganz doll niesen und schubste mich vom Waschbecken weg, um sich den Mund auszuspülen. Er hat aber zum Glück nichts gepetzt. Na, wenigstens klaut er mir in der nächsten Zeit nicht mehr die Schokolade aus der Schublade.“
Mir plumpst ein ganzer Steinhaufen vom Herzen. Irgendwie hatte ich befürchtet, dass Jonas im letzten Augenblick kneifen würde. Aber im Gegenteil. Unser Plan beginnt ihm offensichtlich immer mehr Spaß zu machen.
„Aber du weißt schon, dass du nach der Schule Stress mit deinem Vater kriegen wirst?“, hake ich noch mal nach. „Dann bin aber sowieso erst mal ich dran. Jule will mir ja helfen. Ich glaube, wir sammeln ein paar dicke Stinkkäfer im Garten. Die schleusen wir dann bei euch ein. Natürlich nur in das Zimmer von deinem Papa.“
Jonas nickt eilig. „Ja, das hört sich super an. Käfer und Spinnen mag er gar nicht und natürlich auch keine Mäuse. Wenn du willst, kann ich mich am Nachmittag um die Nacktschnecken kümmern. Ich habe total dicke Dinger in dem verwilderten Kräuterbeet entdeckt.“
Nach der Deutschstunde haben wir Sport bei unserem Direktor, Herrn Beller.
Wir spielen Basketball. Darin ist Jonas richtig gut, weil er so hoch springen kann. Herr Beller hört gar nicht mehr auf, ihn zu loben, bis Jonas einen ganz roten Kopf vor Freude hat.
„Wir wollen bald eine Schulmannschaft gründen“, sagt Herr Beller nach dem Abpfiff. „Da bist du auf jeden Fall dabei, Jonas.“
Gemeinsam laufen wir quer über den Schulhof. „Wenn Herr Beller wüsste.“ Ich kichere. „Bevor die Schulmannschaft ihr erstes Match gespielt hat, bist du doch schon längst über den großen Ozean davongeflogen.“
Jonas antwortet mir nicht. Vielleicht hat er mir ja nicht zugehört. Er guckt so, als wäre er mit seinen Gedanken ganz weit weg.
Ich stelle mir vor, wie Herr Beller gleich genüsslich in ein Schokotörtchen beißt oder ein Stück Frankfurter Kranz probiert. Und dann einen Schluck Pfefferkaffee dazu. Mhhhhmmm. Wirklich sehr lecker.
„Schon komisch“, sagt Jonas plötzlich. „In meiner alten Schule meinte unsere Sportlehrerin immer, ich wäre für Ballspiele nicht geeignet. Und Herr Beller denkt genau das Gegenteil.“
Ich zucke mit den Achseln. „Glaubst du immer alles, was deine Lehrer über dich sagen? Niemand von ihnen weiß, warum ich so ein Buchstabendurcheinander in meinem Kopf habe, jedenfalls wenn es um Noten geht. Aber als ich Paula vor Kurzem einen ewig langen Brief geschrieben habe, war jeder Buchstabe dort, wo er hingehörte.“
Auf die nächste Stunde, Textiles Gestalten, freue ich mich richtig doll. Meistens langweile ich mich dabei zu Tode, denn stricken oder sonstiges Handarbeiten mag ich gar nicht. Aber seit einiger Zeit basteln wir Masken und das macht mir riesigen Spaß. Meine Maske sieht aus wie eine Mischung aus Eule und Krähe, mit einem riesigen Haken als Schnabel, in knallbunten Farben.
„Sieht ja schwer gefährlich aus“, sagt Jonas beeindruckt. „Wen willst du denn damit in die Flucht jagen? Kassis
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