Maximum Trouble
Straßenrand des Highway gefunden. Zwischen den Opfern gab es keinerlei persönliche oder sonstige Verbindungen. Außer der einen eben, daß sie zu freundlich gewesen waren und das Pech gehabt hatten, einen Killer in ihr Auto steigen zu lassen. Wahrscheinlich ein harmlos aussehender Mensch mit einer Pappe, auf der »Los Angeles« oder »San Francisco« stand, was in Wirklichkeit aber »Zur Hölle« hieß. Oder sie hatten angehalten, weil der Mörder eine Autopanne oder einen Unfall vorgetäuscht hatte. Dann kam noch das übliche Lamento über die personelle Unterbesetzung der Polizei. Es gab zwar eine Sonderkommission des FBI, die sich mit Serienkillern befaßte, aber die arbeiteten mit ihren Computern in einem Keller in Washington und ließen sich hier nicht sehen. Es gab eigentlich nur den heißen Tip des Polizeisprechers, bis auf weiteres keine Anhalter mehr mitzunehmen und Unfallopfer im Zweifel lieber im Straßengraben liegen zu lassen. Und dann gab es noch das Versprechen von Ted Turner, dem Boss von CNN, eine halbe Million Dollar an den zu zahlen, der die Bestie schnappte oder zu ihrer Verhaftung beitrug. Es beruhigte mich sehr, daß in dem Artikel keine einzige Hühnerfeder vorkam. Trotzdem. Die Morde waren sehr schnell hintereinander passiert, und zur Zeit des ersten Mordes konnte Wachsmuth schon hiergewesen sein. Natürlich mußte er damit nichts zu tun haben, aber verrückt genug war er ja. Ich konnte ihn kaum in seiner Lodge besuchen und ihn danach fragen. Ich beschloß, ihn ein paar Tage lang zu beschatten.
18.
Leider wachte ich erst gegen 11 Uhr auf, als plötzlich das Zimmermädchen reinplatzte und mich vorwurfsvoll fragte, warum ich nicht das »Don’t disturb«-Schild rausgehängt hätte. Mir war noch nicht nach einer charmanten Antwort zumute, und ich ließ nur ein schlaffes Sorry-ähnliches Grummeln hören. Im Badezimmer sah ich einen fremden Mann im Spiegel. Sein Haar war strubbelig, und in seinen Augen wanderten rote Äderchen. Ein anständiger Hang-over wäre mir lieber gewesen als dieser beschissene Jet-lag. Ich ließ mir von dem Mexikaner, der immer noch im Dienst war, den Weg zu Wachsmuths Lodge beschreiben.
»Nehmen Sie keine Anhalter mit«, sagte er zum Abschied.
»Nur keine Angst«, sagte ich. »Sie haben ja meine Kreditkartennummer.«
Auf dem Weg zu Wachsmuth lag eine Tankstelle mit einem Coffeeshop, und ich ließ mir dort erst mal ein bombastisches Frühstück auffahren. Ich war ohnehin spät dran, und tagsüber wurde hier sicher keiner umgebracht. Ich bestellte Bratkartoffeln und Spiegeleier mit Schinken und Pancakes und zwei Blueberry-Muffins. Der Coffeeshop lag im ersten Stock eines Holzhauses, und ich saß am Fenster und konnte aufs Meer hinaussehen. Es war immer noch neblig, der Himmel war grau, und der Pacific donnerte unermüdlich gegen die Klippen. Ein paar Pelikane standen hoch oben im Wind und hielten Ausschau nach ihrem Catch of the day.
Die Kellnerin kam mit einem riesigen Tablett und stellte alles auf meinen Tisch. Sie war Anfang fünfzig und eine von diesen dicken Mamas, die immer auf ein Schwätzchen aus sind.
»Ihre Frau ist noch nicht da?« fragte sie. »Soll ich die Pancakes nochmal warm stellen? Sie essen doch sicher die Eier, oder?«
»Ich bin allein. Ich esse alles.«
»Oh, bravo! Ich mag Männer mit richtigem Hunger. Rufen Sie mich, wenn Sie noch was brauchen.«
Ich machte mich zuerst über die Eier und die Bratkartoffeln her und erledigte sie in Rekordzeit. Als ich den Teller mit den Pancakes zu mir heranzog, fiel mein Blick auf das ältere Ehepaar am Nebentisch. Unter der Baseballkappe des Opas wuselten weiße Strähnen hervor, die Locken der Oma waren leicht bläulich. Wie es bei alten Ehepaaren und Herrchen und Hündchen oft der Fall ist, hatten sie verblüffend ähnliche Gesichtszüge und sprachen kein Wort. Er trank Kaffee, und sie stocherte in einem Haufen Kartoffelsalat herum. Sie lud sich eine große Portion auf die Gabel und kippte sie seelenruhig in Opas Kaffeetasse. Dann schien sie plötzlich zu begreifen, was sie getan hatte, und weinte. Der alte Mann sagte immer noch nichts und sah sie nur verbittert an.
Ich schaute verlegen weg und goß mir eine großzügige Ladung Ahornsirup auf die Pancakes und legte auch noch ein dickes Stück Butter drauf. Was sollte diese ganze scheiß Cholesterin-Vermeidung, dieses gesunde Leben, wenn es doch nur darauf hinauslief, irgendwann wie diese Oma mit den blauen Locken als alzheimersches Wrack durchs Leben
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