Maximum Warp. Der Guide durch die Star-Trek-Romanwelten: Von Nemesis zu Typhon Pact! (German Edition)
Clinch mit den Vulkaniern steckte. Archer musste seine ganze diplomatische Kompetenz investieren, um das anfängliche Misstrauen Shrans zu beseitigen und die andorianisch-vulkanischen Auseinandersetzungen zu schlichten (vgl. ENT 2×15:
Waffenstillstand
). Ansonsten aber und von ihrem exotischen Äußeren einmal abgesehen, schienen die Andorianer nur wenig Neues oder Originelles zu bieten. Sie kämpften mit Klingen wie Klingonen und lieferten sich zudem Raufereien mit Tellariten. War das lange Warten auf dieses Volk eine Enttäuschung, oder sahen wir vielleicht nur einen Teil des ganzen Bildes?
Letzteres scheint beinahe zuzutreffen, wenn wir uns an eine Bemerkung in der TNG-Episode
Datas Tag
erinnern, in der die andorianische Rasse mit einem Mal nicht mehr das zu sein schien, wofür man sie lange Zeit gehalten hatte. Die Rede war da plötzlich von »vier Geschlechtern« – nur ein kurzes Aufflackern einer neuen Information, mehr nicht. Trotzdem kratzte man sich da durchaus am Kopf, denn in
Enterprise
bekamen wir nur männliche und weibliche Vertreter des blauhäutigen Volks zu Gesicht.
Oder wir dachten dies zumindest. An diesen offenen Widerspruch begaben sich – schon vor
Enterprise
– S. D. Perry, David R. George III und andere Romanautoren, indem sie in der achten Staffel von DS9 eine neue Sicht auf die Andorianer präsentierten.
EIN DÜSTERES GEHEIMNIS
Heraus kam die allmähliche Entschleierung eines überaus düsteren Geheimnisses, das die andorianische Kultur seit geraumer Zeit umweht und über das kein Angehöriger gerne spricht. So existieren – es wurde an anderer Stelle dieses Buches schon angesprochen – tatsächlich vier Geschlechter
(chan, thaan, zhen
und
shen
), und die Fortpflanzung ist dementsprechend komplizierter als bei normalen humanoiden Spezies. Zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt müssen sich genetisch füreinander bestimmte Vertreter aller vier Geschlechter zusammenfinden und einen Nachkommen zeugen. Das bedeutet physischen und psychischen Stress und nicht zuletzt einen großen Zeitaufwand (vgl. Roman
Portale – Dämonen der Luft und Finsternis; Mission Gamma – Zwielicht
).
Als wäre dies allein nicht schon unglaublich schwierig, zeigt uns der weitere Verlauf der DS9-Fortsetzung, dass das andorianische Volk in den vergangenen Jahrhunderten immer mehr in eine Fertilitätskrise hineingeraten ist – die Wahrscheinlichkeit, dass die vier Geschlechter sich überhaupt noch fortpflanzen, sinkt immer weiter und weiter. Damit befindet sich dieses Volk in der zweiten Hälfte des 24. Jahrhunderts in einer existenziellen Krise und wird auf absehbare Zeit, wenn sich die Dinge nicht rasch ändern, aussterben.
Na bitte: Wer sagt jetzt noch, die Andorianer hätten nichts Besonderes zu bieten?
THIRISHAR CH’THANE – VERTRETER DES »GANZEN« ANDORS
Die Person, anhand derer wir in der DS9-Fortführung die durchaus dramatische Entwicklung der Andorianer verfolgen dürfen, ist der Wissenschaftsoffizier Thirishar ch’Thane (kurz: Shar). Auch in seinem individuellen Kosmos manifestiert sich die Katastrophe, der die Andorianer mit zunehmendem Geburtenrückgang verfallen sind: Einstmals ein stolzes, engagiertes Volk in der Föderation, haben sie sich immer stärker auf sich selbst zurückgezogen und – in ihrem Bemühen, den grauenvollen Trend des Aussterbens zu wenden – ihren Angehörigen Zwänge auferlegt, die eng mit dem
Shelthreth
-Ritual verknüpft sind. Einmal in seinem Leben soll jeder Andorianer, wo er sich auch befindet, in seine Heimat zurückkehren und sich dort fortpflanzen. Dies ist seine höchste Pflicht, ein Dienst am Volk, und alles andere wäre Vaterlandsverrat.
Shar, der in die Sternenflotte ging, um sein Ideal der Freiheit und Selbstfindung auszuleben, ist innerlich hin- und hergerissen. Er merkt, was um ihn herum mit seiner Spezies geschieht: Sie hat nicht nur ihre Kinder, sondern zugleich auch ihr ursprüngliches Wesen verloren. Fortpflanzung ist zu einem Imperativ geworden; Bünde fürs Leben werden nicht mehr geschlossen, weil die Personen dies wünschen oder weil Liebe eine Rolle in ihrem Dasein spielt, sondern ausschließlich der Rettung des andorianischen Volkes wegen. Das ist ein verhängnisvoller Trend, und der junge Sternenflottenoffizier nimmt in Folge große persönliche Opfer auf sich, um eine Lösung für die Existenznot seiner Leute zu finden. Trotzdem fragt er sich zuweilen, ob die Andorianer durch ihren krampfhaften Überlebenskampf im Grunde nicht die beste
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