Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
Vom Netzwerk:
kleinen Gruppe von sieben Mann einher, die schweren Speere über die Schulter gehängt. Es wäre nicht das erste Mal, daß sich die Vorhersage des Schamanen nicht erfüllte, und bestimmt auch nicht das letzte Mal. Die diesbezüglichen Irrtümer von Gebrochener Faust waren leicht zu erklären - er konnte ja nur das wiedergeben, was die Geister ihm in dem Augenblick mitteilten, wenn er sprach -, und die Geister, besonders der finstere und unheilvolle Geist der Lüfte, sie änderten ihre Meinung so schnell, wie der Wind umschlug. Doch Karibu kümmerte der Mißerfolg nicht. Die Jagd hatte ihn weitgehend beruhigt; irgendwie hatten ihn hier, unter der weiten blauen Himmelsschale, unter langgestreckten Wolken, die Winde gereinigt, die über die leere Steppe fegten.
    Seine Erinnerungen an die Opferdarbringung waren verblaßt. Der Schrecken jenes Tages erschien ihm jetzt fast nur noch wie ein Traum, ein gräßlicher Alptraum, der nichts mit der Wirklichkeit gemein hatte. Er konnte sich nicht mehr daran entsinnen - und er versuchte es auch gar nicht erst -, wie Frühlingsblütes sanfte, vertrauensvolle Lippen sich bewegt hatten, um lautlos seinen Namen zu formen, als er ihr das blutfarbene Gift eingeflößt hatte. Selbst der ekelerregende .Anblick ihres kochenden, gerösteten, sich von den Knochen lösenden Fleisches war in einen anderen Teil seines Schädels verbannt, an einen verschlossenen Ort, wo er noch durch seine Träume spuken mochte, er ihn aber nicht mehr im Lichte des Tages sehen konnte.
    Tatsächlich war die einzige Erinnerung, die ihm geblieben war, das Geräusch der Trommeln, und selbst das verblaßte allmählich.
    »He, Ratte!« brüllte er.
    Der kleinere Mann schloß zu ihm auf, beschattete seine Augen gegen das schräg einfallende Feuer der Sonne. »Was ist, Karibu?«
    »Sieh mal da drüben.«
    Ratte blickte in die Richtung, die Karibus ausgestreckter Arm ihm wies.
    Erst sah er nichts - nichts Außergewöhnliches jedenfalls. Sie hatten soeben die Kuppe eines niedrigen Hügels erstiegen. Zu ihrer Linken schäumte und sprudelte der Fluß in seinem Bett, zur Rechten, deutlich sichtbar bis zum Horizont, in dessen Richtung Karibus Hand nun wies, erstreckte sich Meile um Meile braunen, verbrannten Steppengrases wie der glatte Rücken eines riesigen, schwarzbraunen Tiers. Ratte blinzelte in die Sonne. Er war stolz auf seine guten Augen, die vielleicht die besten im ganzen Stamm waren. »Ich sehe nichts«, murrte er.
    »Da«, sagte Karibu. »Nicht in der Mitte; sieh, wohin ich deute.«
    Ratte schielte zu Karibu hinüber und schaute dann wieder auf die Steppe.
    Die Sonne war geringfügig über ihren höchsten Stand hinaus gewandert und warf ein kümmerliches Fleckchen Schatten auf den Boden zu seinen Füßen, und weiter draußen, kurz vor dem Horizont, wurde die Sicht noch zusätzlich von den verzerrenden Effekten schräg einfallender Sonnenstrahlen behindert. Trotzdem versteifte er sich.
    Ganz schwach, sehr weit weg, bewegte sich irgend etwas.
    Zunächst dachte er, es handle sich um eine niedrige Wolkenbank, ähnlich wie Nebel und doch anders. Er biß sich auf die Lippe und versuchte sich zu konzentrieren. Es war mehr wie...
    ... Rauch.
    Ja, das war es, aber es war sehr schwer auszumachen; da war es, ein wenig dunkler, ein Farbklecks, der sich ganz schwach abhob, wie eine aufgebrochene Wunde auf einem sonst makellosen Körper.
    »Mmm. Ich sehe es.«
    Karibu knurrte. »Sieht wie Rauch aus.«
    Ratte nickte. »So etwas in der Art. Aber es steigt nicht wie Rauch hoch.«
    Sie starrten einander an. Der seltsame Anblick machte sie beide neugierig, doch sie waren nun schon vier Tage unterwegs, und das, was sie ausgemacht hatten, war ziemlich weit entfernt. Sie waren in der Steppe aufgewachsen, so daß die merkwürdigen Täuschungen, die das Licht der Sonne oft vergaukelten, keine Geheimnisse mehr für sie bargen, und, ohne groß nachzudenken, schätzte Ratte schnell ab, daß der rätselhafte > Rauch < mindestens einen Tagesmarsch weit weg war. Es sei denn, sie würden sich beeilen - und sie hatten nicht den geringsten Grund, sich zu beeilen.
    »Was hältst du davon?« fragte Karibu. Ratte antwortete mit einem Schulterzucken. »Weiß nicht. Es ist kein Zeichen vom Mammut. Kein Staub vom Bison.«
    Schnelle Schlange, ein junger Jäger mit einer gezackten Narbe, die von seiner Stirn über eine leere linke Augenhöhle und über seine Wange verlief, stieß zu ihnen vor. Seine Fernsicht war zwar nicht annähernd so gut wie die

Weitere Kostenlose Bücher