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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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zur Antwort.
    Das Grüne Tal
    Langsam setzte Geist seinen Weg zwischen den fast verlassenen Zelten des Lagers fort, während die Frühlingssonne auf dem Ersten See glitzerte und grelle, schmerzhafte Stacheln in seine Augen schickte. Die wenigen, die schon so früh auf den Beinen waren - meist Frauen -, gingen ihm mit gesenktem Blick aus dem Weg.
    Er kletterte den schroffen, von Felsbrocken gesäumten Uferhang hinab und setzte sich auf einen Stein am Wasserrand. Über dem winzigen See stieg eine einsame Rauchfahne in den Himmel.
    Nur eine, dachte er. Einst war das Lager voller Lärm und Bewegung gewesen, die Frauen hatten gearbeitet, die Männer hatten sich Geschichten erzählt, die Kinder hatten gelacht und waren herumgetollt.
    Nun herrschte eine beklommene, ängstliche Stille, und nur eine einzige Rauchsäule stieg in den Himmel empor.
    Er fragte sich, wie lange wohl die noch übriggebliebenen Menschen des Mammutvolkes brauchen würden, bis sie den Mut gefaßt hatten, ihn zu töten. Nicht mehr lange, schätzte er. Schon bald, so dachte er, würde das ganze Elend mit seinem eigenen Tod zu einem Ende kommen. Nur die mystische Aura seiner Stellung hatte ihn bislang gerettet, doch diese Macht war nun auf traurige Weise ausgehöhlt.
    Er beugte sich vor, um seine dürren Arme um die Schienbeine zu schlingen und das Kinn auf die Knie zu legen. Hinter der Ansammlung leerer Zelte gähnte der dunkle Schlund des Hauptpfades, der zum Rauchsee führte. Er blinzelte in die Öffnung und entsann sich jener schrecklichen Nacht, die seines Wissen nach der Beginn jener Katastrophe gewesen war, die sich nun langsam ihrem unerbittlichen Ende entgegenneigte.
    Er, Speer, Haut und junger Wolf hatten sich in der Finsternis auf den Weg gemacht, in der Erwartung, Maya hilflos durch den Wald taumelnd oder gar auf dem Weg selbst zusammengebrochen vorzufinden. Doch sie hatten sie nicht gefunden, und als der Weg sich gabelte - der eine Abzweig führte zum Zweiten See, der andere durch den düsteren Wald -, hatte Haut lange gebraucht, bis er schließlich entschieden hatte: »Da lang.« Er hatte auf den Weg zur Linken gedeutet, der zum Zweiten See und schließlich zum Rauchsee führte.
    Doch Maya war weder beim Zweiten See gewesen, noch war sie, soweit sie beurteilen konnten, von dem Pfad abgekommen und in die Sümpfe und Treibsandlöcher geraten, die den Weg säumten. Haut hatte sie angeführt, und er war häufig stehengeblieben, um sich hinzuhocken, zu schnüffeln und zu tasten. Er war schon alt, doch das Volk besaß keinen besseren Fährtenleser. Geist schrieb den wachsenden Widerwillen, den er an dem älteren Mann spürte, Hauts offensichtlichem Widerwillen allem gegenüber zu, was mit seiner verstoßenen Tochter zu tun hatte.
    Doch sie waren weitergegangen, durch die unheimliche Dunkelheit -
    Geist konnte die schwebenden Geister riechen, die leise in den Schatten abseits des Pfades raschelten -, bis sie zu ihrer Linken die gespenstischen Dampfsäulen aus dem Rauchsee emporsteigen sahen.
    Speer hatte sie anhalten lassen. »Glaubst du wirklich, sie könnte so weit gekommen sein, Geist?« fragte er beklommen. »Sie... sah nicht so aus, als hätte sie noch die Kraft dazu gehabt.«
    Geist schwieg, lauschte den langgezogenen Seufzern des Windes in den schwarzen Blättern, dem Schnattern der Geister. Einige Fußabdrücke, die Haut aus den vielen Fährten als ihre hatte zu deuten gemeint, waren alles, was sie an Spuren gefunden hatten, und selbst diese lagen nun schon ein gutes Stück hinter ihnen. Konnte sie wirklich so weit gekommen sein?
    Geist war erstaunt, daß sie überhaupt in der Lage gewesen war, sich von ihrem Lager zu erheben. Doch sie hatte es geschafft, und nun war sie fort.
    Am liebsten hätte er sich angesichts dieser Vorstellung vor Wut die Haare gerauft.
    Es war nicht nur Maya, die ihm entkommen war. Es war Siedieerhaßte, die er endlich besiegt hatte - oder nicht? Nun war die furchtbare Gottheit in Maya, und sie war zu allem fähig. Und wenn er Maya nicht wieder aufspüren konnte, würde sie erneut über ihn triumphieren.
    »Ja«, knirschte er. »Sie konnte so weit kommen. Sogar noch weiter - der böse Geist in ihr war sehr stark.« Er faßte einen Entschluß. »Weiter«, sagte er. »Wir werden sie finden.«
    Speer nickte, obwohl er an den Worten des Schamanen zwe ifelte - das Mädchen konnte unmöglich so weit gekommen sein, nicht dieses zerschundene, gebrochene, dahinkriechende Wesen, das er mit eigenen Augen gesehen hatte -, aber

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