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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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erwiderte, plötzlich abwandte.
    Fast, als habe er Angst davor, sie anzusehen.
    »Komm schon, iß weiter«, sagte Schwarzes Karibu und lächelte sie an.
    Das Lächeln war gezwungen und entblößte zu viel von den Zähnen. Es trug nicht eben dazu bei, daß sie sich besser fühlte. Wenn überhaupt, so fühlte sie sich dadurch nur noch schlechter, ließ sie selbst beinahe so etwas wie Furcht empfinden. Irgend etwas stimmte nicht mit dem Lächeln ihres Bruders, doch sie konnte sich nicht vorstellen, was der Grund dafür sein mochte.
    Trotzdem, er war immer noch ihr Bruder, und sie vertraute ihm mehr als irgend jemandem auf der Welt. Er war das Oberhaupt ihrer Familie, jetzt, wo die nur noch schwache Erinnerung an ihren Vater vollständig verblaßt war und sie wußte, daß Karibu auf eine Weise, die sie nicht ganz begriff, auch das Oberhaupt des Volkes geworden war. Sie hatte nie zuvor an ihm gezweifelt, und nur weil sein Gesichtsausdruck anders, so merkwürdig, so beängstigend war, bestand doch kein Grund, jetzt damit anzufangen. Und außerdem liebte er sie.
    Und so griff sie selbst lächelnd, trotz des seltsamen Prickeins in ihren Fingerspitzen - das nun auch, wie sie bemerkte, in ihre Zehen vorgedrungen war -, in den geflochtenen Korb, in dem rote Beeren mit klebrigem Honig vermengt waren, und stopfte sich eine weitere Handvoll in den Mund.
    Die Süße des Honigs überdeckte den scharfen, bitteren, beißenden Geschmack der Beeren, und obwohl ihr Magen ob die ser seltsamen fremden Kost ein bißchen rumorte, aß sie bereit willig.
    Sie war erst elf Jahre alt, ein Kind, das Alteren grenzenloses Vertrauen entgegenbrachte, besonders ihrem liebevollen älteren Bruder.
    Schwarzes Karibu sah dieses Vertrauen in ihren Augen, und das war es, was ihn fast in Tränen ausbrechen ließ. Doch das durfte er nicht. Die Tränen konnten erst später rollen, im stillen, wenn niemand sie sah - es sei denn, der Geist der Lüfte ließe sich erbarmen und suchte sich ein anderes Opfer -, und das nächste könnte womöglich er selbst sein. Doch er war noch nicht bereit, diese Schlacht auszufechten.
    Nein, dachte er, während er Frühlingsblüte dabei zusah, wie sie die klebrige Masse kaute, die langsam ihre Nervenenden lahmen würde, so daß sie lange genug leben würde, um als würdiges Opfer vom Geist der Lüfte angenommen zu werden. Und einen schrecklichen Augenblick lang fragte er sich, ob der grausame Geist dann zufrieden sein - oder nach einem weiteren Opfer verlangen würde, nach ihm, Karibu.
    Das Grüne Tal
    Maya hatte die Haut schnell und mit Geschick von dem Kaninchenrumpf gelöst. Die rauhe Schneidekante des Messers war scharf, und wenn sie ein bißchen stumpf wurde, griff Maya einfach nach einem anderen Feuersteinsplitter und schlug sich eine neue Schneide zurecht. Sie vollführte diese Handgriffe ohne nachzudenken; Stein hatte sie vortrefflich angeleitet.
    Stein hatte seine Bedenken nicht laut werden lassen, ob es klug war, ihr diese Anleitung zu erteilen - es war ihm unangemessen erschienen, einem Mädchen, das noch nicht einmal zur Frau geworden war, seine Fähigkeiten beizubringen -, doch aus irgendeinem Grund hatte Alter Zauber es so gewollt, und so hatte er Maya in seinem Handwerk unterwiesen. Zu seiner Überraschung hatte sich herausgestellt, daß Maya eine lernwillige, begabte Schülerin war. Ihre Augen - diese fremdartigen, beunruhigenden Augen! - konnten die Stelle, an der ein Stück Stein splittern würde, konnten die Richtung, in der der trennende Stoß geführt werden mußte, ebensogut erkennen wie er selbst. Dessen fähig zu sein war eine große Gabe. Es gehörte Geschicklichkeit und Gespür dazu, ein hartes, sprödes Stückchen Fels mit einem vorsichtigen Hieb hier, einem Druck da dazu zu bringen, in lange, hauchdünne Steinsplitter mit natürlich scharfen Kanten zu zerspringen.
    Irgendwie hatte Maya ihn in der Zeit ihrer Unterweisungen fast für sich eingenommen - sie war mit Sicherheit wesentlich talentierter als seine anderen Schüler, zwei unbeholfene Jungen, von denen einer Anzeichen der Begabung zeigte, doch der andere war so ungeschickt, wie man es nur sein konnte. Und Mayas fröhliches, offenes Wesen hatte ihn dazu gebracht, sich noch mehr für sie zu erwärmen und zu glauben, daß auch die Geister ihr nur wohlgesonnen sein konnten.
    Die Geister umgaben das Volk wie ein Nebel; sie beeinflußten jeden Augenblick, jeden Aspekt des Alltagslebens; doch sie zeigten sich niemals selbst. Man konnte sie beeinflussen,

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