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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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die Trommler, die er aus irgendeinem merkwürdigen Grund nicht mehr hören konnte. Und der Stamm - seine Freunde, seine Familie (zwei Schwestern seiner Mutter starrten ihn aus stumpfen, leeren Augen an, kleine schwarze Gruben inmitten ihrer Gesichter, nichts als zwei kleinere Abbilder der Grube), jeder einzelne von ihnen war ihm seit seiner Geburt vertraut - war nun,
    abgetrennt von ihm,
    und allein war er ihren
    verabscheuungswürdigen, erwartungsvollen Blicken ausgesetzt.
    Verzweifelt versuchte er, in dem, was er trug, nichts als ein lebloses Bündel zu sehen, doch das Bündel bewegte sich, und er sah es an.
    Frühlingsblume hatte sich bereits wieder beruhigt. Doch nun war sie wieder Frühlingsblume, nicht mehr ein Bündel, nicht mehr ein lebloses Ding, aber Karibu wußte, daß es kein Entkommen gab.
    Ein schmaler Pfad erstreckte sich von dem Zelteingang, aus dem er soeben getreten war, durch die versammelte Menge direkt zur Grube -
    und dort, das Gesicht weiß bemalt, die Augen zwei funkelnde Schmutzflecken in dieser gräßlichen weißen Fratze, wartete Gebrochene Faust, der der verkörperte Schrecken geworden war.
    Das fettige schwarze Haar des Schamanen war stramm aus seiner breiten Stirn gekämmt, so daß sein Kopf einem Totenschädel glich. Nackt stand er dort, und seine angespannten, schlanken Muskeln traten unter der Schicht weißer Farbe wie Lederschnüre hervor - oder wie Schlangen. Sein Penis war flammend rot angemalt und baumelte wie eine teuflische Zunge vor seinem Hodensack herunter. Und an winzigen Häkchen aus Fischgräten, deren Spitzen das Fleisch seiner Brust, seiner Oberarme, seiner Schenkel und seiner Waden durchbohrten, hingen Schlangenhäute; lange, graue, trockene Haut, von jeglichem Fleisch befreit und fast so leicht wie Luft. Sachte bewegten sie sich in der schwachen Brise, die ihn umspielte.
    Das schlimmste jedoch war sein Mund. Er war weit geöffnet und in ihm steckte der Kopf einer großen Schlange, deren lange, gewundene Fangzähne über das Kinn von Gebrochener Faust hinausragten. Und fast sah es aus, als seien dies nicht die Zähne einer Schlange, sondern die des Schamanen selbst. Karibu erinnerte sich jedoch daran, daß Faust so weit außen keine Zähne mehr hatte; sie waren schon vor langer Zeit her ausgeschlagen worden, um Platz für den Schlangenschädel zu schaffen.
    Gebrochene Faust war für diese Opferdarbietung der Geist der Lüfte geworden, dessen Totem die Schlange war, dessen Reich Qual und Tod waren.
    »Agghhh. Aahhaagghhaa...«
    Der Schamane konnte mit den entsetzlich weit aufgerissenen Kiefern keine verständlichen Worte von sich geben, nur dieses heißhungrige, gierige Knurren. Aber Karibu verstand ihn nur zu gut. Die erstickten, keuchenden Laute waren die Stimme des Geistes selbst, und sie befahl Karibu, vorzutreten mit seiner Last, dem Geist der Lüfte die einzige Speise zu bringen, die seinen ekelerregenden Appetit zu stillen vermochte.
    Lebendiges Menschenfleisch.
    Nun verstummten die Trommeln, und Karibu vernahm das Geräusch seiner eigenen Schritte, feucht und knirschend. Er hatte Angst, hinabzublicken, hatte Angst, er könnte sehen, daß er über ein Feld von Gebeinen schritt, die immer noch mit Blut besudelt waren.
    »Aagghhhaa...«, seufzte der Schamane und reckte beide Arme als Geste des Willkommens empor.
    Das trockene Rascheln und Knistern der aneinanderschabenden Schlangenhüllen erfüllte die feuchte, kalte Luft.
    Karibu bemerkte, daß der Penis von Gebrochener Faust nun erigiert war und pochte, und die rote Tonfarbe dort glitzerte wie frisches Blut; das Glied zuckte und wand sich, so daß es für kurze Zeit so schien, als sei ihm eine Schlange aus dem Bauch gekrochen und wiege sich nun dort, beobachtete das Näherkommen des Opfers.
    Gebrochene Faust nickte - Schlangenhäute raschelten -, und die Trommeln begannen erneut zu schlagen. Karibu war jetzt nah genug, um den durchdringenden, beißenden Schweißgeruch des Schamanen wahrnehmen zu können, der sich mit dem dünnen, kupferartigen Duft halbgeronner Blutfäden vermischte, die ein Muster auf der weiß bemalten Haut des Schamanen hinterlassen hatten, und er spürte das Mißfallen von Faust, als er Frühlingsblütes Zustand bemerkte.
    Unwillkürlich fuhr ein Gedanke wie ein greller Blitz durch Karibus Gehirn: Ich bringe dich um. Und einen kurzen Moment lang sah er sich selbst, wie er seine Last ablegte, seine Arme, dick wie junge Baumstämme, ausstreckte, seine Hände wie die Krallen eines Löwen in das

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