Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
Vom Netzwerk:
Fleisch des Schamanen bohrte, sein Rückgrat wie einen dürren Zweig zerbrach und seine Überreste in die rauchende Grube warf - doch er tat nichts dergleichen.
    Es war, als hätte er keine Macht mehr über seinen Körper, als bewegte sich dieser von selbst. Als Gebrochene Faust beiseite trat, nickte Schwarzes Karibu nur und legte dann, mit bedächtiger und zärtlicher Sorgfalt, seine Schwester auf ihr letztes) grauenerregendes Bett.
    Karibu hatte sich nicht an der Fertigstellung der Opferstätte beteiligt. Er hatte zuvor bei solchen Arbeiten mitgeholfen, bei den wenigen Gelegenheiten, wo ein großes Opfer verlangt worden war. Doch dieses Mal hatte er nicht geholfen, hatte es nicht über sich gebracht. Zweifellos hatte Gebrochene Faust sein Versäumnis bemerkt, doch das kümmerte Schwarzes Karibu nicht. Doch als er den schmächtigen Körper - so leicht wie ein Vögelchen - auf das Bett niederlegte, gingen ihm die Einzelheiten seiner Fertigstellung durch den Kopf.
    Sie hatten einen winzigen Hain kleiner Kiefern unten am Fluß gefunden.
    Junge Stämme, so dick wie der Unterarm eines Mannes, deren Rinde glatt und seidig war, deren bleiches weißes Inneres so vor klarem goldenen Saft strotzte, daß auch die große Hitze des Feuers sie nur zum Kokein und Qualmen brin gen würde - eine Zeitlang zumindest, lange genug.
    Sie hatten vier der von Rinde befreiten Pfähle an den Enden zusammengebunden und weitere Pfähle in einem groben Webmuster darübergelegt, hatten große Mühe darauf verwendet, die Lederschnüre einzuweichen - selbst am Rand würden die Schnüre noch großer Hitze ausgesetzt, und sie mußten doch
    auch eine ganze Weile halten. Dann schichteten sie an den vier Ecken der Grube Steine bis zur Hüfthöhe auf, Pfeiler, die das Bett tragen sollten.
    Auf das mit Harz eingeschmierte Kieferngestell schichteten sie eine Unterlage aus trockenen Zweigen, süßduftenden Blättern, gedörrten Bündeln Steppgras - Material, das bei der ersten Berührung mit einer glühenden Kohle in Flammen stehen würde.
    Darauf legte Karibu seine Schwester. Eine seltsame Schwäche überfiel ihn, drohte ihm den Lebenssaft auszusaugen, ließ ihm nur noch die Kraft zu tun, was getan werden mußte. Flatterten ihre Lieder da kurz?
    Bewegten sich ihre Lippen überhaupt?
    So zart, so verletzlich, in ihrem besten Überwurf und die Beinlinge aus weißen Rentierfellen gekleidet.
    Wußte sie es ?
    »Aagghhaaal«
    Auf das tiefe, gutturale Knurren des Schamanen hin drängten die Umstehenden vorwärts. Jeder trug irgend etwas: ein Stückchen Fell, eine Perle, ein kleines Körbchen, ein Messer, irgend etwas. Und nun prasselten all diese Geschenke auf Frühlingsblütes schlafende Gestalt.
    Karibu spürte, wie er zurückgedrängt wurde; keine Hand berührte ihn, kein Wind blies ihm ins Gesicht, doch er taumelte, als müsse er gegen feindliche Kräfte kämpfen.
    Nach einer Weile versiegte der Geschenkeregen. Vier Männer traten vor und hoben die vier Ecken der Trage an. Der Rhythmus der Trommeln wurde zu seinem anhaltenden Donnergrollen, als sie das Gestell über die Grube hoben, es absetzten und zurücktraten.
    Der Wind wechselte fast gleichzeitig damit die Richtung. Hatte er zuvor noch sachte vom Fluß herauf geweht, gereizt Nebelfetzen und den Gestank verdorbenen Fleisches vor sich hergetrieben, drehte er nun plötzlich und fuhr mit aller Macht aus den gefrorenen Eisbergen des Nordens hernieder, blies das Bahrtuch des Nebels weg.
    Darunter glühte Kohle, rot wie entzündeter Wundbrand unter einer weißen, abblätternden Kruste, wie aufreißende Haut, die dunkles, blutrotes Fleisch enthüllt. Kleine gelbe und blaue Flammen züngelten über die scheußliche Oberfläche. Der erste Kiefernzweig fing Feuer.
    Schwarzes Karibu stand reglos wie ein Fels. Nicht einmal seine Augenlider zuckten, als Gebrochene Faust vortrat und mit einem einzigen Keulenhieb Frühlingsblütes Schädel zertrümmerte. Er legte seine Finger in die aufgeplatzte Hirnschale, tauchte sie in die weiche, graue, glänzende Masse und führte sie rituell an den Schlangenkopf, der aus seinen Kiefern hervorwuchs.
    Der durchdringende Geruch geschmorten Fleisches erfüllte die Luft.
    Karibu konnte sich immer noch nicht bewegen, nicht, bis einer der Männer - er glaubte später, daß es Ratte gewesen war, dessen Augen eine seltsame Mischung aus Mitleid und Wahnsinn wiedergespiegelt hatten -
    seine tauben Finger um den Heft eines Steinmessers schloß, ihn vorschob und so den Bann des Grauens

Weitere Kostenlose Bücher