Mayabrut (German Edition)
November 2012
„Vidal, wann können wir endlich das Tal verlassen? Ich möchte so gerne deinen Bruder Juan und dein Haus sehen.“
Er genoss es, wenn Cholas Kopf auf seiner Brust lag und sie laut von einer gemeinsamen Zukunft träumte. Andächtig wickelte sie dabei seine Brusthaare um ihre Finger und zog zärtlich an dem drahtigen Büschel. Chola weckte in ihm Begehrlichkeiten, die er so noch nie verspürt hatte.
In diesen Momenten verglich er sie mit seiner großen Liebe Maria und suchte Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, aber dazu waren diese beiden Frauen einfach zu verschieden. Es gab aber noch einen weiteren Unterschied in seinen Gefühlen zu Chola gegenüber denen, die er zu anderen Frauen gehabt hatte. Zum ersten Mal sehnte er sich nicht nur nach körperlicher Zärtlichkeit, sondern er wünschte sich Kinder von dieser Frau – er sehnte sich danach, eine Familie zu gründen.
Aber es war wohl zu spät. Sutin meldete sich kaum noch. Die Russen und selbst Gregori begannen zu murren. Sutin verwies seine Leute aber immer wieder auf seine angeordnete Quarantäne und das, obwohl im Camp bisher nur zwei Menschen an Lyssa-8 erkrankt waren, Tori und der Russe, den sie hatte retten wollen.
Dagegen schien das Virus in der Siedlung furchtbar zu wüten. Fast jeden Tag loderte dort ein Feuer, von dem der stinkende Gruß des Todes zu ihnen herüber wehte.
Selbst wenn sie den Maya helfen wollten, es war unmöglich. Zum einen hatte es ihnen Sutin strikt verboten und gedroht, jeden, der das Camp verlasse, auszustoßen und zum anderen empfingen sie die Maya sofort mit Steinwürfen.
Außerdem ging es Tori zu schlecht, um Hilfe leisten zu können. Zwar hatte Sutin sein Versprechen gehalten und Tori die Unterlagen der geretteten Tollwutpatientin zugesandt und ihr auch hochwirksame virale Medikamente besorgt, aber die Japanerin wusste, dass sie keine Chance mehr hatte.
Der an Lyssa-8 erkrankte Russe hatte sich angeblich selbst erschossen, aber vielleicht hatte auch jemand nachgeholfen. Jeff wich Tori keinen Augenblick mehr von der Seite, da er fürchtete, dass man sie in seiner Abwesenheit töten würde.
Cara sah dies realistischer, für Sutin war die Japanerin ein ideales Versuchsobjekt für eventuelle Therapien.
„Vidal, du bist wieder so weit weg von mir“, seufzte Chola.
Sanft küsste er ihre Stirn, ihre Augen und ihren Mund. Aber sie ließ sich nicht täuschen. „Was ist los mit dir, woran denkst du?“, bohrte sie weiter.
„Ach Cholaläl, mein kleines Maisfeld“, dehnte er die Antwort aus. Was sollte er ihr nur sagen? Sollte er zugeben, dass er auf Toris Tod wartete, wo er doch immer wieder beteuerte, dass Sutins Medikamente Tori retten würden. Oder sollte er Chola erzählen, dass auch sie bald sterben würden?
Aber noch lebten sie und im Inneren der Pyramide gab es mit Sicherheit auch einen geheimen Weg, der aus Sutins Gulag führte. Aber wo? Er wusste, dass seine Chance gering war, ihn zu finden. Deshalb durfte er keine falschen Hoffnungen wecken. Er schob Chola sanft zur Seite und richtete sich auf. „Chola, ich möchte die Zerstörungen in der Pyramide untersuchen und vielleicht haben doch noch einige Mayabücher dieses Inferno überstanden. Kommst du mit?“
Erstaunlicherweise willigte sie sofort ein und begann, ihren Korb mit Konserven, Tortillas und Wasserflaschen zu füllen. Er beobachtete sie eine Weile und überlegte, dass sie, sollten sie wirklich einen Ausgang finden, mit diesem Proviant sofort die Flucht antreten könnten. Aber was wäre mit Jeff und Tori? Die beiden im Stich zu lassen, kam nicht infrage. Andererseits lag die Japanerin im Sterben und Jeff würde wahrscheinlich bei ihr bleiben. Zunächst musste er erst einmal selber die Lage da unten erkunden, und dies möglichst unauffällig – dann würde er weitersehen.
„Chola, wir wollen da unten kein Picknick machen. Ich möchte mir nur einen Überblick verschaffen, was das Feuer angerichtet hat, und dann sehen wir zu, dass wir wieder an die frische Luft kommen.“
Betroffen hielt er inne. Vielleicht gab es dort unten kaum noch Sauerstoff zum Atmen. Er musste sich unbedingt noch das Gaswarngerät von Jeff borgen. Er nahm zwei Taschenlampen und überprüfte sie, dann sah er zu Chola, die ihren Proviantsack abgelegt hatte und an der Tür auf ihn wartete.
Draußen lungerten die Russen lustlos herum, beziehungsweise initiierten sie für Gregori eine Waffenreinigung. Auf dem ehemaligen Obduktionstisch lagen Kalaschnikows und
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