Mayabrut (German Edition)
Kugeln der Russen. Ein wahrhaft grausames Déjà-vu der Geschichte.
Cara wischte sich die Tränen aus den Augen und legte sich zu Chola. Sanft strich er über ihre Wangen, küsste ihre Stirn und suchte mit seinen Lippen ihren Mund. Noch einmal mit Chola einssein, noch einmal stark sein, noch einmal vergessen – ein allerletztes Mal diese Frau lieben …
Drei Tage vergingen und noch immer stieg schwarzer Rauch aus dem Tempelbau zum Himmel. Es war schon Mittag, als Gregori alle im Container versammelte, da Sutin ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen hätte. Gregori hatte den Empfang auf volle Lautstärke eingestellt, sodass jeder im Container Sutins Worte verfolgen konnte.
Zunächst wandte er sich an Tori: „Tori, Sie haben mit Ihrer Vermutung leider recht behalten. Die eigentliche Katastrophe besteht aber in einem völlig neuen Genom dieses Lyssa-Virus. Es entspricht keiner der bekannten sieben Genotypen. Deshalb wirkt beim Lyssa-8-Virus, so haben ihn meine Forscher getauft, auch keiner der bekannten Impfstoffe.“
Tori räusperte sich: „Señor Sutin, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit.“ Dann sackte sie still auf ihrem Stuhl zusammen. Jeff beugte sich zu ihr und nahm sie in seine Arme.
„Tori, auch wenn Sie sich vielleicht mit dem Lyssa-8-Virus infiziert haben, lassen Sie sich nicht entmutigen. Ich habe die Behandlungsunterlagen von Jeanna Giese bekommen, die bisher als Einzige eine Lyssa-Infektion überlebt hat.“
„Danke“, flüsterte Tori mit tränenerstickter Stimme und setzte leise fort: „Señor Sutin, dass ich bald sterben werde, ist bedeutungslos. Wenn es dieses Virus aber geschafft hat, sich in Insekten, zum Beispiel in Stechmücken, einzunisten, dann droht Kolumbien, dem gesamten Kontinent, ja vielleicht sogar der gesamten Menschheit eine Lyssa-Pandemie von einem unvorstellbaren Ausmaß.“
„Tori …, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit … und wünsche Ihnen aufrichtig gute Besserung“, entgegnete Sutin stockend.
„Trotzdem“, setzte er mit fester Stimme fort: „In Anbetracht dessen, dass es sich bei dem Lyssa-8-Virus um eine vielleicht hoch ansteckende Variante der Tollwut handeln könnte, habe ich für alle Anwesenden des Yäx Tyuñ Tals eine strenge Quarantäne angeordnet. Dies gilt vorerst so lange, bis wir definitiv die Ansteckung aller Beteiligten ausschließen können oder gegen dieses Virus ein wirksames Gegenmittel gefunden haben.“
Die Russen fingen lautstark an zu murren. Sutin, der dies wohl vorausgeahnt hatte, beschwichtigte sie aber sofort: „Selbstverständlich werde ich alle Beteiligten für diese besonderen und erschwerenden Bedingungen entschädigen. Mir schwebt in diesem Zusammenhang eine Verdopplung Ihrer Bezüge und Prämien vor.“
Sofort grölten die Männer zufrieden auf, während Sutin fortfuhr: „Im Moment bereiten wir uns auf die Beseitigung der Lyssa-8-Wirte vor. Sobald wir alle Vorbereitungen dazu abgeschlossen haben, werden wir mit Rons Hilfe die Zecken in diesem Tal restlos liquidieren“, setzte Sutin hastig fort.
Restlos liquidieren, schleifenartig zogen diese beiden Wörter in Caras Kopf ihre Bahn.
„Um Ihnen diese Zeit ein wenig zu erleichtern, hat Ron neben den Medikamenten auch Kaviar und das russische Wässerchen an Bord. Dies alles wird Ihnen Gregori dann übergeben.“ Mit einem Doswidanja beendete Sutin abrupt das Gespräch.
Während die Russen freudig Sutins Versprechungen begrüßten, nährte sich in Cara ein ungeheuer Verdacht; Sutin spielte auf Zeit, um Ihre Vernichtung vorbereiten zu können.
Eine Woche später zeigten sich bei Tori erste Anzeichen von Lyssa-8. Zunächst bekam sie hämmernde Kopfschmerzen, dann zeigten sich Symptome, die einer schweren Grippe ähnelten. Auch der Russe, den Tori mit ihrem Einsatz zu retten versucht hatte, erkrankte unter ähnlichen Symptomen. Wie viele der Talbewohner mittlerweile an Lyssa-8 erkrankt waren, wusste keiner, da die Maya jeden Annäherungsversuch sofort mit Steinen beantworteten. Eigenartigerweise winkten sie aber dem täglich einfliegenden Huey auch weiterhin freundlich zu – sie hielten ihn wohl immer noch für einen Götterboten. Die Russen besoffen sich nun tagtäglich. Trotzdem bewachten immer zwei Posten das Plateau. Cara hatte schon einmal darum gebeten, ins Pyramideninnere zu dürfen. Grinsend ließ man ihn vorbei. Doch nach wenigen Schritten musste er umkehren – die Hitze war immer noch unerträglich.
21. Der Todesbote
Camp 2, Yäx Tyuñ Tal
Sonntag, 11.
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