Mayabrut (German Edition)
Cara?“
„Wenn wir ihm nicht regelmäßig gewisse Mengen Blut zuführen, verhungert Akälajaw. Durch Cholas Suppen konnten wir zwar die letzten Blutreserven strecken, aber letztendlich benötigt er neues menschliches Blut, um weiterzuleben.“
Ungläubig schüttelte Gregori den Kopf: „Warum sollte ich das Blut meiner Leute an dieses Glühwürmchen verfüttern?“
„Um selbst zu überleben“, mischte sich Tori ein. „Wir stehen hier vor einem Rätsel, bei dem es um Leben und Tod geht. Und jeder, der irgendwelche Informationen besitzen könnte, die uns hier weiterhelfen, ist wichtig – überlebenswichtig.“
„Vidal, hat Akälajaw eigentlich wieder die diplomatischen Beziehungen zu dir aufgenommen, und womit hast du ihn denn so erzürnt, dass er sogar dein Buch zerrissen hat?“
„Er hat ja nur die Seiten herausgerissen, auf denen Fotos von hellhäutigen Menschen zu sehen waren, und dass er gleich so empfindlich auf meine Zweifel an seinen Göttern reagiert, konnte ich nicht ahnen.“
Er hoffte, dass seine kleine Lüge die Anwesenden und vor allem Gregori zufriedenstellte. Cara erhob sich und beendete die Zusammenkunft: „Ich wünsche allen eine angenehme Nachtruhe ohne blutige Albträume und schlage vor, dass wir morgen früh Punkt acht Uhr die Jagd auf den Killer beginnen.“
Als er Cholas Container betrat, fand er auf dem Tisch einen Zettel. Darauf waren zwei Strichmännchen gezeichnet, zwischen denen ein Berg mit Knochen aufragte. Daneben stand: „Ich gehen zu Mutychäk.“
War das das Ende? Ihn fröstelte. Sicher war Chola in der letzten Zeit schweigsam gewesen und hatte oft geweint, aber dass sie ihn mit Sutins Leichenräubern verglich, verletzte ihn tief.
Andererseits, was hatte er dagegen unternommen? Nichts! Ganz im Gegenteil, er hatte ja auch das Vertrauen von Akälajaw missbraucht. Der Alte hatte ihm einen Mayacodex geschenkt und ihn in die geheime Bibliothek zu dem Maisgott geführt, und er hatte ihm dafür sein einziges Heiligtum gestohlen.
19. Der Killer
Schacht, Yäx Tyuñ Tal
Donnerstag, 25. Oktober 2012
Wie verabredet, trafen sie sich um acht Uhr am Schacht. Die Vögel wehrten sich kaum, als Tori ihnen einen Kabelbinder ans Bein schnürte, da sie ihnen Valium ins Futter gemischt hatte. Gregori hatte mehrere Rollen Angelsehne spendiert, deren Enden sie an den Kabelbindern verknotete. Sogar einem Truthahn hatte die Japanerin solch eine Fußfessel verpasst. Die Vögel wurden in Plastikboxen gesetzt, dann schlug die Stunde für Gregoris Männer. Vor Ort führte Tori bei ihnen einen Aderlass durch. Das Blut ließ sie auf das Gefieder der Tiere tröpfeln. Danach legte sie die Plastikdeckel auf die Boxen und ließ durch eine Lücke Sauerstoff einströmen.
Cara zweigte eine Schale mit Blut ab und lief zu Akälajaw. Noch immer lagen die Papierschnipsel auf dem Boden. Der Alte lag auf seiner Liege und starrte zur Decke. Cara begrüßte ihn freundlich, aber Akälajaw schwieg. Vorsichtig stellte Cara ihm eine Schale mit frisch gezapftem Blut auf seinen Tisch – keine Reaktion. Hilflos zuckte Cara mit den Schultern und ging.
Als er am Schacht eintraf, waren die Vorbereitungen für den Abstieg abgeschlossen. Erstaunt bemerkte er, dass an den Ecken der Arbeitsbühne Kameras angebracht waren. Nun sah er auch die auf dem Schaltschrank platzierten Monitore. Deren hellblaues Licht bildete einen eigenartigen Kontrast zum grünen Glimmen der Pyramidenbeleuchtung.
Er verfolgte, wie Tori und Jeff die Arbeitsbühne betraten, und kurz darauf verschwanden die beiden in der Tiefe. Cara gesellte sich zu Gregoris Männern, die an den Monitoren den Abstieg in das Totenreich Xibalba verfolgten. Xibalba - dieser Name hatte sich mittlerweile bei allen nach seinem Exkurs in die Mayamythologie eingebürgert.
Zunächst sah er die gebänderten Uranschichten vorbeiziehen, dann weitete sich der Schacht und die Felswände verschwanden im Dunkel. Mit einem Ruckeln setzte die Arbeitsbühne auf. Cara sah, wie Jeff und Tori die Boxen öffneten und die Hühner hinausjagten. Nur der Truthahn verweigerte seinen Freigang. Deshalb kippte Jeff dessen Box einfach um. Der Vogel kullerte auf den Leichenberg und verharrte. Auch die Hühner kauerten ängstlich in der Nähe der Arbeitsbühne.
Nun stieg Jeff aus, griff sich ein Huhn und stolperte mit dem Tier ins Dunkel. Als er wiederkam, trottete der Vogel hinterher. An der Hebebühne angekommen, brach das Huhn zusammen – das Ammoniak forderte seinen Tribut,
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