Mayabrut (German Edition)
vermutete Cara. Nach einer viertel Stunde waren die Vögel ohne Einwirken des unbekannten Killers verendet.
Enttäuscht schnitt Tori deren Fußfesseln durch, dann fuhr sie mit Jeff wieder nach oben. Dort angelangt, begaben sie sich zu den Monitoren und starrten auf das bläuliche Flimmern. Alle wussten, dass der Fangversuch gescheitert war, und trotzdem hofften alle darauf, doch noch etwas zu entdecken. Eine Stunde später holten sie die Kadaver nach oben und Tori übernahm sie für weitere Untersuchungen. Am Abend wollte sie allen über die erlangten Ergebnisse berichten.
Cara nutzte die Zeit zu einem Besuch bei Mutychäk. Als er vor der Hütte der Alten stand, hörte er Cholas Lachen und das Kichern eines Kindes. Er trat ein und alle verstummten. Das Kind, das ihm Mutychäk als ihre Enkelin Mutyalä, den kleinen Vogel vorstellte, verkroch sich sofort hinter der Alten. Cara konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, da alle mit einem Federflaum überzogen waren. Mutychäk zupfte gerade an einem fetten Truthahn herum und erzählte ihm gut gelaunt von einer Federschlacht mit der Enkelin und Chola.
Chola schaute kurz zu ihm auf, dann senkte sie wieder den Kopf und rupfte weiter an einem halb nackten Hühnchen herum. Der Boden der Hütte war mit einem bunten Federteppich bedeckt und es roch herrlich nach Kakao. Mutychäk bemerkte seine sehnsüchtigen Blicke. Sie füllte ihm etwas in einen gelben Plastikbecher ab. Genüsslich nippte er an dem köstlichen Getränk.
Wehmütige Erinnerungen stiegen in ihm auf. Er erinnerte sich an den Tag zurück, als sie der Chinook ins Tal gebracht hatte und Chola der alten Mutychäk den Becher mit ihrem Namenstier geschenkt hatte – wie Götter wurden sie damals von den Talbewohnern empfangen, und jetzt …
Mutychäk nahm ihm den geleerten Becher ab und er beob achtete verblüfft, wie sie nachschenkte. Die Alte fasste den heißen Edelstahltopf mit der bloßen Hand an und goss die dampfende Flüssigkeit ab. Verblüfft stand er auf, ging zu ihr und nahm ihr die gefüllte Tasse ab. Vorsichtig berührte er den Rand des Gefäßes – brennender Schmerz federte seine Hand zurück. Chola hatte ihn beobachtet und schüttelte lächelnd den Kopf, bevor sie weiterrupfte. Das kleine Mädchen fing die fallenden Federn auf und warf sie jauchzend in die Luft. Die Alte hatte sich auf den Boden gesetzt und sah glücklich dem Kind beim Spielen zu. Plötzlich riss Mutychäk die Arme hoch und hielt sich stöhnend den Kopf. Chola ließ das Hühnchen fallen und auch das Mädchen erstarrte. Eilig legte Chola der Alten ein nasses Tuch auf die Stirn. Mutychäk jammerte, dass ihr der Schädel platzen würde. Besorgt fragte er Chola, ob Mutychäk solche Kopfschmerzen öfter habe. Chola schüttelte den Kopf. Er versprach ihr, Tori vorbeizuschicken, damit sie sich die Alte einmal ansehe. Als Cara die Hütte verließ, blickte er noch einmal zu Chola – sie schaute ihn lange traurig an, dann senkte sie den Kopf und schluchzte leise auf.
Als er am Abend zum Konferenzcontainer lief, wehte ihm Bratenduft entgegen. Drinnen war der Tisch festlich gedeckt. Ein weißes Tuch und ein Leuchter mit einem Kerzenpärchen buhlten um romantische Stimmung. Nur die Wassergläser mit dem rot prickelnden Sekt wirkten etwas deplatziert in dem edlen Ambiente. Dafür rundete in der Mitte des Tisches ein knusprig brauner Truthahn das Ensemble ab.
Verwundert setzte Cara sich. Tori grinste ihn an und meinte: „Mit besten Grüßen von Mutychäk“, und nach einer kleinen Pause ergänzte sie, „ich soll übrigens einem gewissen Vidal Cara ganz liebe Grüße von einem kleinen Maisfeld bestellen.“
Er atmete tief ein – also liebte Chola ihn doch noch! Um seine Verlegenheit zu überspielen, neckte er Tori: „Sag mal, du kleine japanische Giftmischerin, du kredenzt uns doch hier nicht eines unserer Versuchskarnickel?“
Tori lachte: „Ganz sicher nicht, Vidal. Es ist schon so, wie ich sagte. Ich war nachmittags bei Mutychäk und habe ihr ein paar Kopfschmerztabletten vorbeigebracht, und sie hat sich bei mir, bei uns mit diesem Monster revanchiert. Ich schlage vor, dass wir uns das Tierchen jetzt schmecken lassen – Prost.“
Vier Gläser klirrten aneinander und eröffneten das üppige Menü. Lag es nun am Alkohol, am herzhaften Essen oder an der entspannten Atmosphäre – all seine Sorgen und Ängste waren verflogen, er genoss diesen Augenblick, er genoss sein Leben. Den anderen ging es wohl genauso, denn sie
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