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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Nicht Joe Martin und der Chinese schalteten das Licht ein und beugten sich über mich, sondern Freddy, so dürr, so weggetreten, dass ich ihn im ersten Moment nicht erkannte. »Scheiße, Laura, Scheiße, Scheiße«, nuschelte er und machte sich mit zittrigen Fingern an dem Knebel zu schaffen. Endlich zog er den Lappen aus meinem Mund, und ich atmete einen riesigen Schwall Luft ein, sog meine Lungen voll, krümmte mich, hustete. Freddy, Freddy, Gott segne dich, Freddy. Er schaffte es nicht, mich loszubinden, die Knoten hatten sich festgezurrt, und er konnte nur eine Hand gebrauchen, an der anderen fehlten zwei Finger, und sie war steif geblieben. Er ging in der Küche ein Messer holen und kämpfte mit dem Kabel, bis er es nach einer Ewigkeit durchtrennt hatte und mich frei bekam. Ich blutete aus den Schnitten an Handgelenken und Knöcheln, aber das bemerkte ich erst später, der Entzug war alles, was mich in diesem Moment beherrschte, etwas zu kriegen mein einziger Gedanke.
    Jeder Versuch aufzustehen war sinnlos, ich wurde von Krämpfen geschüttelt, und meine Arme und Beine gehorchten mir nicht. »Scheiße, Scheiße, Scheiße, du musst hier weg, Scheiße, Laura, Scheiße«, wiederholte Freddy wie in einer Litanei. Er ging noch einmal in die Küche, kam mit einer Pfeife, einem Brenner und einem Häufchen Crack wieder. Er steckte die Pfeife an und schob sie mir in den Mund. Ich nahm einen tiefen Zug, und das gab mir wieder etwas Kraft. »Wie sollen wir hier rauskommen, Freddy?«, flüsterte ich; mir klapperten die Zähne. »Zu Fuß, anders geht’s nicht. Steh auf, Laura.«
    Und zu Fuß gingen wir hinaus, ganz einfach durch dieTür. Freddy hatte die Fernbedienung für das Gitter, und wir schlichen im Dunkeln, gegen die Wand gedrückt, die Treppe hinunter, er hielt mich um die Taille gefasst, ich stützte mich auf seine Schultern. Er war so klein! Aber sein Löwenherz machte seine Zerbrechlichkeit mehr als wett. Vielleicht sahen uns welche von den Gespenstern in den unteren Stockwerken und sagten Joe Martin und dem Chinesen, dass Freddy mir geholfen hatte, das werde ich nie erfahren. Doch selbst wenn es ihnen niemand gesagt hat, werden sie es sich gedacht haben, wer sonst hätte sein Leben für mich aufs Spiel gesetzt?
    Im Schatten der Häuser entfernten wir uns ein paar Blocks von dem Gebäude. Freddy versuchte mehrmals, ein Taxi anzuhalten, aber wenn die Fahrer uns sahen, gaben sie Gas, wir müssen fürchterlich ausgesehen haben. An einer Bushaltestelle nahmen wir den ersten Bus, der hielt, achteten nicht auf die angewiderten Gesichter der übrigen Fahrgäste, nicht auf die Blicke des Fahrers im Rückspiegel. Ich stank nach Pisse, war verdreckt, hatte Blut an den Armen und den Schuhen. Der Fahrer hätte uns zum Aussteigen zwingen oder die Polizei verständigen können, aber auch darin kam uns das Schicksal zu Hilfe, und er tat es nicht.
    Wir fuhren bis zur Endhaltestelle, dort ging Freddy mit mir in ein öffentliches Klo, und ich wusch mich, was wenig half, weil meine Kleider und meine Haare ekelhaft stanken, und dann stiegen wir in den nächsten Bus und in einen weiteren und fuhren stundenlang kreuz und quer durch Las Vegas, um unsere Fährte zu verwischen. Zu guter Letzt brachte Freddy mich in ein Schwarzenviertel, in dem ich nie zuvor gewesen war: spärlich beleuchtete Straßen, menschenleer um diese Zeit, bescheidene Häuser von Arbeitern und kleinen Angestellten, Korbsessel vor den Türen, Vorgärten voller Gerümpel, alte Autos. Nach der schlimmen Prügel, die Freddy in einem Viertel bezogen hatte, wo er nicht hingehörte, war es sehr mutig von ihm, mich dorthinzuführen, aber er wirkte nicht besorgt, als wäre er hier schon oft gewesen.
    Vor einem Haus, das sich in nichts von den übrigen in der Straße unterschied, blieb Freddy stehen und klingelte Sturm. Dann eine Donnerstimme von drinnen: »Wer wagt es, um diese Zeit zu stören!« Im Windfang ging das Licht an, die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet und ein Auge musterte uns. »Dem Himmel sei Dank, bist du das, Freddy?«
    In der Tür stand in einem rosa Frotteebademantel Olympia Pettiford, die Krankenschwester, die sich nach der Prügelei um Freddy gekümmert hatte – sanfte Riesin, Madonna der Schutzlosen, großartige Leiterin ihrer eigenen Gemeinde der Witwen für Jesus. Olympia öffnete uns die Tür und gewährte mir ihren Schutz wie eine afrikanische Göttin, »du armes Mädchen, armes Mädchen«. Auf ihren Armen trug sie mich zum Sofa im Wohnzimmer

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