Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
will bloß wissen, wo das Geld ist und wie ich Adam Trevor finde.«
»Wenn ich wüsste, wo Geld ist, glauben Sie, ich wäre auf der Straße, Officer?«
Noch vor einer Stunde hätte ich ihm alles, ohne zu zögern, gesagt, aber der Stoff und die Pillen, das Bier und ein kleiner Tequila hatten meinen Bedarf fürs Erste gedeckt, und ich erinnerte mich wieder, dass ich mich aus der Sache raushalten sollte. Ich hatte keine Ahnung, ob die Scheine in dem Lagerraum in Beatty falsch waren oder echt oder beides gemischt, aber Arana sollte mich auf keinen Fall mit diesen Taschen in Verbindung bringen. Es war, wie Freddy gesagt hatte, man hielt am besten den Mund. Brandon Leeman war brutal umgebracht worden, seine Mörder waren auf freiem Fuß, der Officer hatte etwas von kriminellen Banden gesagt, und für alles, was ich verriet, würde Adam Trevor mich büßen lassen.
»Wie kommen Sie darauf, dass Brandon Leeman mir so was anvertraut, Officer? Ich war sein Kuriermädchen. Joe Martin und der Chinese waren seine Partner, die haben an seinen Geschäften mitverdient und ihn überallhin begleitet, nicht ich.«
»Sie waren Partner?«
»Glaube schon, aber sicher bin ich mir nicht, Brandon Leeman hat mir nichts erzählt. Bis eben wusste ich ja nicht mal, dass er Hank Trevor hieß.«
»Dann wissen also Joe Martin und der Chinese, wo das Geld ist.«
»Fragen Sie die beiden. Außer dem, was Brandon Leeman mir als Trinkgeld zugesteckt hat, habe ich kein Geld gesehen.«
»Und dem, was du in den Hotels kassiert hast.«
Er fragte mich weiter aus über Einzelheiten unseres Zusammenlebens in dieser Räuberhöhle, die Brandon Leemans Hauptquartier war, und ich antwortete vorsichtig, ließ Freddy unerwähnt und sagte nichts, was auf die El-Paso-TX-Taschen hingedeutet hätte. Dafür bemühte ich mich, Joe Martin und den Chinesen reinzureiten, weil ich hoffte, sie würden vielleicht festgenommen und ich wäre sie damit los, aber Arana schien nicht interessiert an den beiden. Wir waren schon länger mit dem Essen fertig, es war bald fünf am Nachmittag und in dem kleinen Restaurant außer uns nur noch ein Kellner, der darauf wartete, dass wir gingen. Als hätte er nicht sowieso schon viel für mich getan, schenkte Arana mir noch zehn Dollar und gab mir seine Handy-Nummer, wollte mit mir in Kontakt bleiben und bat mich, ihn anzurufen, wenn ich in der Klemme steckte. Ich solle ihm Bescheid geben, ehe ich die Stadt verließ, und auf mich aufpassen, in manchen Vierteln von Las Vegas sei es sehr gefährlich, vor allem nachts. Wem sagte er das. Als wir uns verabschiedeten, fragte ich ihn noch, wieso er keine Uniform trug, worauf er mir anvertraute, dass er mit dem FBI zusammenarbeitete: Geldfälschung ist ein Bundesverbrechen.
All meine Vorsichtsmaßnahmen, um in Las Vegas unentdeckt zu bleiben, vermochten nichts gegen »Die Macht desSchicksals«, wie mein Großvater in Anspielung auf eine seiner Lieblingsopern von Verdi gesagt hätte. Mein Pop hing einer romantischen Vorstellung vom Schicksal an, nur damit ließ sich ja erklären, dass er der Frau seines Lebens in Toronto begegnet war, aber er war weniger fatalistisch als meine Großmutter, für die das Schicksal so unveränderlich und handfest ist wie die Gene, mit denen man zur Welt kommt. Beides, Schicksal und Gene, legen fest, was wir sind, man kann sie nicht ändern; ist die Mischung explosiv, sind wir angeschmiert, aber sofern unsere astrologischen Karten passabel sind, haben wir unser Leben in Maßen selbst in der Hand. Meine Nini sagt, wir kämen mit einem bestimmten Blatt auf der Hand zur Welt und müssten damit unser Spiel machen; mit ähnlichen Karten geht der eine unter, der andere wächst über sich hinaus. »Das Gesetz vom Ausgleich, Maya. Wenn das Schicksal dich blind hat zur Welt kommen lassen, heißt das nicht, dass du in der U-Bahn Flöte spielen musst, du kannst deine Nase schulen und Weinprüferin werden.« Ein typisches Beispiel meiner Großmutter.
Nach der Theorie meiner Großmutter bin ich mit einer Veranlagung zur Sucht geboren, weiß der Himmel, woher ich die habe, in den Genen liegt sie eher nicht, meine Großmutter trinkt gar nicht, mein Vater bloß ab und an ein Glas Weißwein und meine Mutter, die Prinzessin aus Lappland, machte bei unserer einzigen Begegnung einen soliden Eindruck auf mich. Okay, es war elf Uhr morgens, und um die Zeit sind die meisten Leute mehr oder weniger nüchtern. Auf jeden Fall ist die Sucht eine von den Karten, die ich auf der Hand habe,
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