Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
dem, was Trevor an Informationen ausgeplaudert habe, lasse sich womöglich ein internationaler Verbrecherring aufdecken, der in der Lage sei, die Finanzmärkte von der Wallstreet bis nach Peking zu erschüttern, stand in dem Artikel.
Trevor hatte seine Falschgeldproduktion zunächst im Süden, in Georgia, begonnen und war dann später nach Texas umgezogen in die Nähe der Grenze nach Mexiko. Seine Druckmaschine stand im Keller einer seit einigen Jahren geschlossenen Schuhfabrik in einem Industriegebiet, wo tagsüber reger Betrieb und nachts tote Hose herrschte, so dass er sich Material liefern lassen konnte, ohne aufzufallen. Seine Scheine waren so perfekt wie Officer Arana es mir in Las Vegas versichert hatte, weil er Bögen vom gleichen stärkefreien Papier verwendete, auf das auch die echten gedruckt sind, und außerdem eine geniale Lösung gefunden hatte, um den Metallstreifen anzubringen; auch ein sehr erfahrener Kassierer merkte den Betrug nicht. Noch dazu handelte es sich bei einem Teil seiner Produktion um Fünfzig-Dollar-Noten, die selten so gründlich untersucht werden wie die größeren Scheine. In der Zeitschrift stand das, was auch Arana gesagt hatte: dass die Blüten immer ins Ausland geschafft und dort von den Banden mit echten Scheinen gemischt wurden, ehe man sie in Umlauf brachte.
Bei seinem Geständnis hatte Adam Trevor gesagt, er habe den Fehler begangen, seinem Bruder in Las Vegas eine halbe Million Dollar zur Aufbewahrung zu geben; der sei umgebracht worden, ehe er ihm verraten konnte, wo das Geld versteckt war. Er selbst wäre niemals aufgeflogen, hätte sein Bruder, ein kleiner Drogendealer, der sich Brandon Leeman nannte, nicht angefangen, das Geld auszugeben. In dem Bargeldmeer, das durch die Casinos in Nevada schwappt, hätten die Scheine über Jahre unbemerkt bleiben können, aber Leeman hatte auch Polizisten damit bestochen, und mit diesem Anhaltspunkt begann das FBI den Knoten aufzudröseln.
Dem Police Department von Las Vegas gelang es, den Bestechungsskandal einigermaßen klein zu halten, aber etwas sickerte doch an die Presse durch, es fand eine oberflächliche Säuberung statt, um die erboste Öffentlichkeit zu besänftigen, und ein paar korrupte Beamte wurden suspendiert. Der Artikel endete mit einem Absatz, der mir den Schreck in die Glieder jagte:
Eine halbe Million Dollar Falschgeld spielt weiter keine Rolle. Entscheidend wird vielmehr sein, die Druckplatten zu finden, die Adam Trevor seinem Bruder anvertraut hat, ehe sie Terrorgruppen oder bestimmten Regierungen in die Hände fallen, man denke an Nordkorea oder den Iran, die ein Interesse daran haben könnten, den Markt mit falschen Dollars zu überfluten und so der amerikanischen Wirtschaft zu schaden.
Meine Großmutter und Schneewittchen sind überzeugt, dass so etwas wie Privatsphäre heutzutage nicht mehr existiert, weil man noch die intimsten Einzelheiten aus dem Leben eines jeden in Erfahrung bringen und niemand sich vollständig verbergen kann, schon wer einmal eine Kreditkarte benutzt, zum Zahnarzt geht, einen Zug besteigt oder einen Telefonanruf tätigt, hinterlässt unauslöschliche Spuren. Und doch verschwinden Jahr für Jahr Tausende von Kindern und Erwachsenen aus ganz unterschiedlichen Gründen: Sie werden entführt, nehmen sich das Leben, werden umgebracht, erleiden einen Unfall; viele sind psychisch krank oder fliehen vor häuslicher Gewalt oder vor dem Gesetz, treten irgendwelchen Sekten bei oder reisen unter falschem Namen, ganz zu schweigen von den Opfern von Menschenhandel, die als Prostituierte oder Arbeitssklaven ausgebeutet werden. Manuel sagt, gegenwärtig gebe es weltweit etwa siebenundzwanzig Millionen Sklaven, obwohl die Sklaverei offiziell überall abgeschafft ist.
Im vergangenen Jahr war auch ich eine dieser verschwundenen Personen, und meine Nini konnte mich nicht finden, obwohl ich keine besonderen Anstrengungen unternahm, um mich zu verstecken. Sie und Mike glauben, die Regierung der USA spähe unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung alle unsere Bewegungen und Absichten aus, aber ich bezweifele, dass sie mit all den E-Mails und Telefongesprächen etwas anfangen kann, es schwirren doch Milliarden von Mitteilungen in allen erdenklichen Sprachen durch den Äther, und dieses babylonische Wirrwarr lässt sich unmöglich ordnen und dechiffrieren. »Die können das, Maya, die verfügen über die entsprechende Technik und über Millionen kleiner Bürokraten, deren einzige Aufgabe es ist, uns
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