Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Strand. Das war schon vor zehn Jahren aus der Mode gekommen, aber die Braut hatte es sich gewünscht. Mein Pop hätte es gern etwas bequemer gehabt, meine Nini war dagegen in ihrem Element. Die Trauung wurde von einem Freund von Susan durchgeführt, dem die Iglesia Universal per Post die Befähigung dazu erteilt hatte. Ich musste dabei sein, weigerte mich aber, als Fee verkleidet die Ringe zu halten, wie meine Großmutter es gern gesehen hätte. Mein Vater trug einen weißen Anzug im Mao-Stil, der weder zu ihm noch zu seinen politischen Ansichten passte, und Susan ein luftiges Hemd und einen Kranz aus Wildblumen, was beides auch längst aus der Mode gekommen war. Die Hochzeitsgäste standen mit ihren Schuhen in der Hand im Sand und ertrugen eine halbe Stunde die Gischtschwaden und die zuckersüßen Ratschläge des Priesters. Danach gab es einen Empfang im nahe gelegenen Yachtclub, und die Gäste tanzten und tranken bis nach Mitternacht, während ich mich im Volkswagen meiner Großeltern verschanzt hielt und die Nase nur herausstreckte, als der gute Mike O’Kelly in seinem Rollstuhl kam und mir ein Stück Torte brachte.
Meine Großeltern hätten es gern gesehen, wenn dieFrischvermählten bei uns eingezogen wären, Platz hätten wir mehr als genug gehabt, aber mein Vater mietete im selben Viertel ein Häuschen, das bequem in die Küche seiner Mutter gepasst hätte, denn für mehr reichte das Geld nicht. Piloten arbeiten viel, verdienen wenig und sind immer müde; kein beneidenswerter Beruf. Nachdem sie eingezogen waren, entschied mein Vater, ich solle bei ihnen wohnen, und meine Tobsuchtsanfälle konnten weder ihn zermürben noch schreckten sie Susan ab, von der ich zunächst gedacht hatte, sie sei leicht einzuschüchtern. Sie war aber die Ausgeglichenheit in Person, kein bisschen launisch, immer hilfsbereit, jedoch ohne das aggressive Mitgefühl, mit dem meine Nini oft denen zu nahetritt, denen sie helfen will.
Heute ist mir klar, wie undankbar Susans Aufgabe war, sie hatte ein verwöhntes und störrisches Gör am Hals, das bei zwei alten Leuten aufgewachsen war, bloß weißes Essen zu sich nahm – Reis, Popcorn, Toastbrot, Bananen – und nachts nicht schlief. Statt mich mit herkömmlichen Methoden zum Essen zu nötigen, bereitete sie mir Putenbrust mit Schlagsahne zu, Blumenkohl mit Kokoseis und andere gewagte Kombinationen, bis ich allmählich zu beigem Essen überging – Humus, ein paar Frühstücksflocken, Milchkaffee – und schließlich zu Farben mit mehr Charakter, zum einen oder anderen Grün-, Orange- oder Rotton, wenn auch nicht zu Roter Beete. Susan konnte keine Kinder bekommen und wollte zum Ausgleich gern meine Zuneigung gewinnen, aber ich bot ihr stur die Stirn. Ich ließ meine Sachen bei meinen Großeltern und ging nur zum Schlafen zu meinem Vater, mit einer Tasche, in der mein Wecker steckte und das Buch, das ich gerade las. Nachts lag ich zitternd vor Angst wach, mit der Bettdecke über dem Kopf. Da ich mir bei meinem Vater Frechheiten nicht erlauben konnte, legte ich eine hochnäsige Höflichkeit an den Tag, die ich mir bei den Butlern in englischen Filmen abgeschaut hatte.
Mein einziges Zuhause war die buntbemalte Villa, in die ich täglich nach der Schule zurückkehrte, um meine Hausaufgaben zu machen und zu spielen, und im Stillen betete ich, Susan möge vergessen, mich abzuholen, wenn sie von ihrer Arbeit in San Francisco kam, was jedoch nie geschah: Meine Stiefmutter besaß einen krankhaften Sinn für Verantwortung. So verging der erste Monat, bis Susan einen Hund mitbrachte, der bei uns wohnen sollte. Sie bildete für das Police Department von San Francisco Bombenspürhunde aus, was seit dem Beginn der Terrorangst 2001 eine angesehene Tätigkeit ist, damals, als sie meinen Vater heiratete, jedoch für jede Menge blöder Sprüche von Seiten ihrer ruppigen Kollegen sorgte, weil es in Kalifornien seit Ewigkeiten keinen Bombenanschlag mehr gegeben hatte.
Jeder Hund arbeitete in seinem Leben nur mit einem einzigen Menschen, und beide waren irgendwann so gut aufeinander eingespielt, als könnten sie die Gedanken des anderen lesen. Susan wählte immer den pfiffigsten Welpen eines Wurfs aus und suchte die passende Person dazu, vorzugsweise jemand, der mit Tieren aufgewachsen war. Aus meinem Vorsatz, die Nerven meiner Stiefmutter zu zerrütten, wurde nichts wegen Alvy, einer sechs Jahre alten Labradorhündin, die intelligenter und freundlicher war als jeder Mensch. Alles, was ich über
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