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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Tiere weiß, habe ich von Susan gelernt, und sie erlaubte mir entgegen jeder Grundregel der Hundeerziehung, Alvy mit ins Bett zu nehmen. Damit half sie mir bei meinem Kampf gegen die Schlaflosigkeit.
    Dass meine Stiefmutter in ihrer unaufdringlichen Art immer da war, wurde in meiner Familie zur Selbstverständlichkeit, und wir erinnerten uns kaum noch an das Leben vor ihrem Auftauchen. War mein Vater auf Reisen, also eigentlich die meiste Zeit, erlaubte mir Susan, im verwunschenen Haus meiner Großeltern zu übernachten, wo mein Zimmer unverändert geblieben war. Susan mochte meinen Pop sehr, ging mit ihm in schwedische Filme aus den fünfziger Jahren,Schwarzweiß und ohne Untertitel, so dass man die Dialoge erraten musste, und in Jazzkonzerte in verqualmten Kellerlokalen. Bei meiner Nini, die alles andere als handzahm ist, wandte sie dieselbe Methode an wie bei ihren Bombenspürhunden: Zuneigung und Strenge, Strafe und Belohnung. Sie machte ihr liebevoll klar, dass ihre Zuneigung nicht in Frage stand und sie immer für sie da sein würde, untersagte ihr streng, durchs Fenster einzusteigen, um den Hausputz zu überwachen oder ihrer Enkelin Süßigkeiten zuzustecken; wenn ihr meine Nini mit Geschenken, Ratschlägen oder chilenischem Schmorbarten zu sehr auf die Pelle rückte, verschwand sie zur Strafe für ein paar Tage von der Bildfläche, und sie belohnte sie mit Waldspaziergängen, wenn alles gut lief. Genauso verfuhr sie mit ihrem Mann und mit mir.
    Meine gute Stiefmutter drängte sich nicht zwischen mich und meine Großeltern, obwohl deren unsteter Erziehungsstil sie erschreckt haben muss. Bestimmt bin ich zu sehr verwöhnt worden, aber das war nicht der Grund für meine Schwierigkeiten, auch wenn die Therapeuten, mit denen ich es als Jugendliche zu tun bekam, das vermuteten. Meine Nini erzog mich auf chilenisch, Essen und Liebe satt, klare Regeln und hin und wieder eins hinter die Löffel, aber nicht oft. Einmal drohte ich ihr, sie wegen Kindesmisshandlung bei der Polizei anzuzeigen, und sie haute mir die Suppenkelle auf den Kopf, dass mir ein Horn spross. Damit war mein Vorhaben vom Tisch.
    Ich habe ein Curanto-Essen erlebt, eine üppige und deftige Schlemmerei, an der das ganze Dorf beteiligt ist. Die Vorbereitungen begannen früh, denn die Boote der Ökotourismus-Veranstalter treffen vor dem Mittag ein. Die Frauen hackten Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und frischen Koriander für die Würze und bereiteten aufwendig und langwierig milcao und chapalele zu, eine Art Brötchen aus Kartoffeln, Mehl, Schweineschmalz und Grieben, ungenießbar, wennman mich fragt, und unterdessen gruben die Männer am Strand ein großes Loch, legten den Boden mit Steinen aus und entzündeten darüber ein Feuer. Als die Scheite heruntergebrannt waren, glühten die Steine, und dann trafen auch schon die Boote ein. Die Reiseleiter zeigten den Besuchern das Dorf und gaben ihnen Gelegenheit, Wollsachen zu kaufen, Muschelketten, Guavenmarmelade, Licor de Oro, den hiesigen Schnaps, Schnitzereien, Creme aus Schneckenschleim gegen Altersflecken, Lavendelsträußchen, kurz, das wenige, was wir hier haben, und dann wurden alle zu der qualmenden Mulde an den Strand gerufen. Die Curanto-Köche stellten Tonschalen auf die Steine, um den Sud aufzufangen, der, wie allgemein bekannt, aphrodisisch wirkt, darüber kamen in Schichten Chapalele und Milcao, Fleisch von Schwein, Lamm und Huhn, Muscheln, Fisch, Gemüse und weitere Köstlichkeiten, die ich mir nicht gemerkt habe, man deckte alles mit feuchten weißen Tüchern ab, dann mit riesigen Gunnera-Blättern, mit einem Jutesack, der wie ein Rock über dem Rand des Lochs ragte, und am Ende mit Sand. Das Garen dauerte etwas über eine Stunde, und während sich die Zutaten in der Hitze geheimnisvoll verwandelten, ihren Sud und ihre Aromen vereinten, vertrieben sich die Besucher die Zeit damit, den Dampf zu fotografieren, tranken Pisco Sour und hörten Manuel zu.
    Hier kommen unterschiedliche Touristen her: chilenische Rentner, Europäer auf Urlaub, alle möglichen Argentinier, Backpacker woher auch immer. Manchmal sieht man ganze Reisegruppen aus Asien oder den USA, mit Karten und Bestimmungsbüchern über Flora und Fauna, in denen sie todernst alles nachschlagen. Außer den Backpackern, die lieber hinter den Büschen Marihuana rauchen, hören alle gern einem Schriftsteller zu, dessen Bücher sogar verlegt sind und der ihnen die Geheimnisse des Archipels nach Bedarf auf Englisch oder Spanisch erklären

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