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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sie war von zwei oder drei Autos erfasst worden, hatte überlebt, war aber verkrüppelt und entstellt, und für den schlechten Scherz strafte man Stuart jetzt mit Verachtung: Keiner sprach mehr ein Wort mit ihm. Zwischen den Schülern hingen die »Gossenpunks« herum, mit grünen Haaren, gepierct und tätowiert, ein paar Obdachlose mit vollgepackten Einkaufswagen und fetten Hunden, etliche Säufer, eine geistesgestörte Lady, die ständig ihren Hintern entblößte, und noch das eine oder andere Park-Faktotum.
    Ein paar von den Schülern rauchten, tranken Alkohol aus Cola-Flaschen, spielten um Geld, ließen unter den Augen der Polizisten Joints und Pillentütchen rumgehen, aber die meisten aßen einfach zu Mittag und kehrten nach der dreiviertelstündigen Pause in die Schule zurück. Zu denen gehörte ich nicht, ich ging nur zum Unterricht, wenn ich mitbekommen musste, was wir gerade durchnahmen.
    Nach Schulschluss gehörte die Innenstadt von Berkeley uns, wir zogen in Horden durch die Straßen, misstrauisch beäugt von Passanten und Geschäftsleuten, denen unser schlurfender Gang, die Handys und Kopfhörer, die Rucksäcke, Kaugummis, zerrissenen Jeans und der unverständliche Slang suspekt waren. Ich wollte wie alle anderen vor allem dazugehören und gemocht werden; es gab nichts Schlimmeres, als rausgekickt zu werden wie Stuart Peel. Aber in dem Jahr, als ich sechzehn wurde, fühlte ich mich anders, wie gemartert, lehnte mich auf und war wütend auf die Welt. Jetzt wollte ich nicht mehr in der Herde unbemerkt bleiben, sondern mich abheben; ich wollte nicht akzeptiert, sondern gefürchtet sein. Ich entfernte mich von meinen früheren Freunden oder sie sich von mir und schloss mich Sarah und Debbie an, den beiden Mädchen mit dem schlechtesten Ruf an der Schule, und das will was heißen, denn an der Berkeley High gab es einige Kandidatinnen für die Klapse. Wir drei brauchten sonst niemanden, vertrauten einander wie Schwestern, erzählten uns unsere geheimsten Träume, waren immer zusammen oder über Handy in Kontakt, redeten, teilten Klamotten, Schminkzeug, Geld, Essen, Drogen miteinander, konnten uns ein Leben ohne die anderen nicht vorstellen und dachten, unsere Freundschaft werde ewig halten und nichts und niemand könne sich je zwischen uns drängen.
    Ich veränderte mich innerlich und äußerlich. Ich fühlte mich, als würde ich bersten, zu viel Fleisch an mir, zu wenig Knochen und Haut, mein Blut in Aufruhr, ich ertrug mich selbst nicht und fürchtete, eines Morgens wie in einem kafkaesken Albtraum als Ungeziefer zu erwachen. Akribisch untersuchte ich meine Mängel: Zähne zu groß, Beine zu kräftig, Segelohren, Haare schlaff, Nase zu kurz, fünf Mitesser, Fingernägel abgekaut, krummer Rücken, Haut zu weiß, alles zu groß und unbeholfen. Ich fühlte mich grauenvoll, konnte zwar für Momente erahnen, welche Macht in meinem erwachenden fraulichen Körper steckte, wusste aber nicht damit umzugehen. Es nervte mich, wenn Männer mich ansahen oder im Auto neben mir hielten und mich mitnehmen wollten, wenn meine Klassenkameraden mich anfassten oder sich ein anderer Lehrer als der untadelige Mr. Harper übermäßig für mein Benehmen oder meine Noten interessierte.
    An der Schule gab es keine Frauenfußballmannschaft, ich trainierte im Verein, wo mich der Trainer einmal auf dem Platz Situps machen ließ, bis alle anderen gegangen waren, mich dann hinterher in der Dusche am ganzen Körper befummelte, und, weil ich wie erstarrt war, wohl meinte, mir würde das gefallen. Ich schämte mich so, dass ich nur Sarahund Debbie davon erzählte, nahm ihnen das Versprechen ab, keinem was zu sagen, gab das Spielen auf und setzte nie mehr einen Fuß in den Verein.
    Die Veränderungen an mir trafen mich unvorbereitet, wie wenn man auf dem Eis ausrutscht, ich bekam gar nicht mit, dass ich dabei war, mich auf die Fresse zu legen. Mit der Entschlossenheit einer Hypnotisierten steuerte ich in gefährliche Situationen hinein; es dauerte nicht lange, da führte ich ein Doppelleben, log erstaunlich geschickt und legte mich schreiend und Türen schlagend mit meiner Großmutter an, die als Einzige im Haus noch etwas zu sagen hatte, seit Susan im Krieg war. Mein Vater war praktischerweise von der Bildfläche verschwunden, hatte wohl seine Flugstunden verdoppelt, damit er sich nicht mit mir anlegen musste.
    Sarah, Debbie und ich entdeckten wie alle an unserer Schule die Internetpornographie, und wir ahmten die Gesten und Posen der Frauen

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