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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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niemandem davon, dass er mir erschien.
    Ich ging inzwischen auf die Berkeley High, die einzige staatliche Highschool der Stadt und eine der besten im Land, wenn auch mit fast dreieinhalbtausend Schülern zu groß. Etwa ein Drittel der Schüler waren Weiße, ein DrittelSchwarze und der Rest Latinos, Asiaten und Mischmasch. Als mein Pop die Berkeley High besuchte, war es dort zugegangen wie im Zoo, die Rektoren hatten nie länger als ein Jahr durchgehalten und dann erschöpft aufgegeben, aber zu meiner Zeit funktionierte der Lehrbetrieb vorbildlich; das Niveau der Schüler war sehr unterschiedlich, aber es ging gesittet zu, die Schule war sauber, abgesehen von den Toiletten, die am Ende des Tages ekelerregend waren, und der Rektor hatte seinen Posten schon seit fünf Jahren inne. Es hieß, er komme von einem anderen Stern, weil er so dickfellig war, dass nichts zu ihm durchdrang. Wir hatten Unterricht in Kunst, Musik, Theater, Sport, es gab Labore für die naturwissenschaftlichen Fächer, Sprachen, vergleichenden Religionsunterricht, Politik, Sozialprogramme, jede Menge AGs und einen erstklassigen Sexualkundeunterricht, der allen gleichermaßen zuteilwurde, auch fundamentalistischen Christen und Muslimen, die das nicht immer zu schätzen wussten. Meine Nini veröffentlichte einen Brief in The Berkeley Daily Planet , in dem sie vorschlug, die LSBTZ (Vereinigung der Lesben, Schwulen, Bi-, Transsexuellen und Zweifelnden) solle ihrem Namen ein H hinzufügen für die Hermaphroditen. So sahen die typischen Initiativen meiner Großmutter aus, die mich stets nervös machten, weil sie unweigerlich Fahrt aufnahmen, und am Ende gingen wir mit Mike O’Kelly dafür auf die Straße. Sie schaffte es immer, mich reinzuziehen.
    Die motivierten Schüler blühten an der Berkeley High auf und wechselten von dort direkt an eine der renommierten Universitäten, wie mein Pop, der wegen seiner guten Noten, und weil er ein Ass im Baseball war, ein Stipendium für Harvard bekam. Die mittelmäßigen lavierten sich durch und versuchten nicht aufzufallen, und die schwachen wurden abgehängt oder in Sonderprogramme gesteckt. Die schwierigsten, die drogensüchtig waren oder zu einer Gang gehörten, flogen raus oder gingen von allein und landetenauf der Straße. In den ersten zwei Jahren war ich eine gute Schülerin und Sportlerin gewesen, aber binnen drei Monaten rutschte ich in die unterste Kategorie ab, meine Noten wurden katastrophal, ich prügelte mich, klaute, kiffte und schlief im Unterricht. Mein Geschichtslehrer, Mr. Harper, wandte sich besorgt an meinen Vater, der nichts tun konnte, außer mir einen erbaulichen Vortrag zu halten, und schickte mich zum Gesundheitsdienst, wo ich ein paar Fragen beantworten musste und man, da ich offenbar nicht magersüchtig war und nicht versucht hatte, mich umzubringen, dann wieder von mir abließ.
    Berkeley High ist eine offene Campus-Schule mitten in der Stadt, und man konnte im Massenbetrieb leicht unbemerkt bleiben. Ich fing an, systematisch zu schwänzen, verließ die Schule zum Mittagessen und kam nachmittags nicht zurück. Wir hatten eine Cafeteria, in die gingen bloß Langweiler, es war nicht cool, dort gesehen zu werden. Meine Nini war gegen die Hamburger und Pizzas, die es im Viertel um die Schule gab, und wollte unbedingt, dass ich in der Cafeteria aß, die schmackhafte und preiswerte Vollwertkost anbot, aber ich ließ mir nichts vorschreiben. Wie die anderen ging ich auf einen Platz in der Nähe, der bei uns »Park« hieß, nur fünfzig Meter von der Polizeiwache entfernt lag und seine eigenen Gesetze hatte. Eltern beschwerten sich wegen der Drogen und dem Rumhängen im Park, in der Presse erschienen Artikel dazu, die Polizei ging Streife, griff aber nicht ein, und die Lehrer wuschen ihre Hände in Unschuld, weil der Park nicht zum Schulgelände gehörte.
    Im Park teilten sich die Grüppchen nach sozialer Herkunft und Hautfarbe auf. Die Kiffer und die Skater hatten ihren Bereich, die Weißen hingen zusammen ab, die Latino-Gangs hielten sich am Rand und verteidigten ihr eingebildetes Terrain mit ritualisierten Drohgebärden, und in der Mitte standen die Dealer herum. In einer Ecke trafen sichdie Stipendiaten aus dem Jemen, die bekannt geworden waren, weil ein paar afroamerikanische Jungs mit Baseballschlägern und Messern auf sie losgegangen waren. Eine andere Ecke gehörte Stuart Peel, der immer allein blieb, weil er ein zwölfjähriges Mädchen dazu gebracht hatte, über den Highway zu rennen;

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