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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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warf sie die beiden keifend wie ein Waschweib aus dem Haus, wurde aber schwach, als Rick Laredo mit einem Strauß hängeköpfiger Tulpen und mit gebrochenem Herzen vor der Tür stand. Ich wollte ihn nicht sehen, also musste sie sich in der Küche geschlagene zwei Stunden sein Leid anhören. »Ich soll dir von dem Jungen etwas ausrichten, Maya: Er schwört Stein und Bein, er hat nie einem Tier was getan, und du sollst ihm bitte noch mal eine Chance geben«, sagte sie hinterher. Meine Großmutter hat eine Schwäche für Leute mit Liebeskummer. »Wenn er noch mal wiederkommt, Nini, dann kannst du ihm sagen, selbst wenn er Vegetarier wäre und sich für die Rettung des Thunfischs einsetzte, würde ich ihn nicht mehr sehen wollen.«
    Die Schmerzmittel, die ich nehmen musste, und der Schreck, dass ich aufgeflogen war, machten mich willenlos, und ich gestand meiner Nini alles, wonach sie in endlosen Verhören zu fragen die Freundlichkeit hatte, obwohl sie es längst wusste, da es ja dank Norman, der miesen Ratte, in meinem Leben keine Geheimnisse mehr gab.
    »Ich glaube nicht, dass du ein schlechter Mensch bist, Maya, und für restlos schwachsinnig halte ich dich auch nicht, auch wenn du alles dafür tust, so zu wirken«, sagte sie seufzend. »Wie oft haben wir über Drogen gesprochen? Und wie konntest du diese Männer nur mit vorgehaltener Pistole erpressen!«
    »Das waren Schweine, Perverse, Kinderschänder, Nini.Die hatten es verdient, dass man sie fickt. Also nicht in echt fickt, du weißt schon, was ich meine.«
    »Und da kommst du und sorgst für Gerechtigkeit? Bist du Batman? Die hätten dich umbringen können!«
    »Es ist mir ja nichts passiert, Nini …«
    »Nichts passiert nennst du das! Sieh dich an! Was soll ich bloß mit dir machen, Maya?« Und sie brach in Tränen aus.
    »Verzeih mir, Nini. Bitte, nicht weinen. Ich schwöre dir, ich hab’s kapiert. Der Unfall hat mir die Augen geöffnet.«
    »Ich glaube dir kein Wort. Schwör es mir beim Andenken deines Großvaters!«
    Meine Reue war aufrichtig, ich war ehrlich erschrocken, aber es half mir nichts, denn sobald der Arzt sein Einverständnis gab, brachte mich mein Vater in ein Internat für schwererziehbare Jugendliche in Oregon. Ich ging nicht freiwillig mit, vielmehr musste er einen mit Susan befreundeten Polizisten anheuern, ein menschliches Ungetüm, groß wie eine Moai-Figur von den Osterinseln, der ihm bei meiner Verschleppung zur Hand ging. Meine Nini hatte sich verkrochen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie sie mich wie ein Tier zur Schlachtbank schleiften, während ich brüllte, dass keiner mich liebte, dass alle mich loswerden wollten, warum sie mich nicht einfach umbringen würden, bevor ich das selber tat.
    In dem Internat in Oregon hatte ich bis Anfang Juni 2008 zu bleiben, zusammen mit sechsundfünfzig anderen Jugendlichen, die aufsässig, drogenabhängig, selbstmordgefährdet, magersüchtig, manisch-depressiv oder von der Schule geflogen waren oder einfach nirgends hineinpassten. Ich nahm mir vor, jedes Hilfsangebot zu sabotieren, und schmiedete Pläne, wie ich mich an meinem Vater rächen konnte, weil er mich in dieses Irrenhaus gebracht hatte, an meiner Nini, weil sie das zuließ, und an der ganzen Welt, weil sie sich von mir abgewandt hatte. In Wahrheitwar ich dort, weil die Richterin, die über den Unfall entschied, das so verfügt hatte. Mike O’Kelly kannte sie und bot seine ganze Beredsamkeit für mich auf; sonst wäre ich im Strafvollzug gelandet, wenn auch nicht in San Quentin, wie meine Großmutter in einem ihrer Tobsuchtsanfälle schrie. Sie neigt zu Übertreibung. Einmal nahm sie mich in einen schrecklichen Film über einen Mörder mit, der in San Quentin hingerichtet wird. »Damit du siehst, was mit einem passiert, wenn man sich nicht an die Gesetze hält, Maya«, sagte sie, als wir aus dem Kino kamen. »Erst klaut man in der Schule Buntstifte, und am Ende landet man auf dem elektrischen Stuhl.« Das war in unserer Familie zum Running Gag geworden, aber diesmal meinte sie es ernst.
    Weil ich noch so jung und nicht vorbestraft war, stellte mich die Richterin, eine Asiatin, die nervtötender war als eine Zahnwurzelbehandlung, vor die Wahl: Resozialisierungsprogramm oder Jugendgefängnis, wie es der Fahrer des Wagens verlangte, der mich über den Haufen gefahren hatte; nachdem ihm klar geworden war, dass die Versicherung meines Vaters ihn nicht so üppig wie erhofft entschädigen würde, wollte er mich bestraft sehen. Die

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