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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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bleiben uns einige Monate zum Trainieren, aber dazu brauchen wir Schuhe, und weil die Familien hier kein Geld haben, um welche zu kaufen, machten Blanca und ich Don Lionel Schnake, mittlerweile vom Eindruck des sommerlichen Hinterteils genesen, unsere Aufwartung.
    Zur Einstimmung überreichten wie ihm zwei Flaschen vom feinsten Licor de Oro, den Blanca mit Schnaps, Zucker, Molke und Gewürzen ansetzt, dann legten wir ihm dar, wie sinnvoll es sei, die Kinder mit sportlichen Aktivitäten zu beschäftigen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kämen. Don Lionel war ganz unserer Meinung. Von da bis zum Fußball dauerte es nur ein weiteres Gläschen Licor de Oro, und schon versprach er, uns elf Paar Schuhe in den benötigten Größen zu schenken. Wir mussten ihm erklären, dass wir elf für die Caleuches brauchten, das Jungsteam, elf für die Pincoyas, die Mädchen, und sechs als Ersatz. Als er hörte, was es kosten würde, schimpfte er los über die Wirtschaftskrise, die Lachsfarmen, die Entlassungswelle, und schnaubte, seine Tochter sei ein Fass ohne Boden und sein schwaches Herz werde noch mal versagen bei ihren unersättlichen Forderungen, und wo man das überhaupt je gehört habe, dass dem mangelhaften Bildungswesen im Land ausgerechnet durch Fußballschuhe abzuhelfen sei.
    Am Ende tupfte er sich die Stirn trocken, genehmigte sich ein viertes Gläschen Licor de Oro und stellte uns denScheck aus. Noch am selben Tag gaben wir in Santiago die Bestellung auf und holten die Fußballschuhe eine Woche später vom Bus in Ancud ab. Tía Blanca hält sie unter Verschluss, damit die Kinder sie nicht jeden Tag anziehen, und hat angekündigt, dass, wem die Füße wachsen, aus der Mannschaft fliegt.

HERBST
    April, Mai

Die Reparaturarbeiten am Schulhaus sind abgeschlossen. In das Gebäude flüchten sich die Leute in Notfällen, es ist das sicherste auf der Insel, abgesehen von der Kirche, deren wacklige Holzkonstruktion von Gott gehalten wird, wie sich im Jahr 1960 zeigte, als das Land vom schwersten je auf der Erde gemessenen Beben heimgesucht wurde: 9,5 auf der Richterskala. Das Meer stieg an und hätte beinahe das Dorf verschlungen, doch hielten die Wellen vor dem Portal der Kirche inne. In den zehn Minuten, in denen die Erde bebte, schrumpften Seen, verschwanden Inseln, barst die Erde und schluckte Eisenbahngleise, Brücken und Wege. Chile ist anfällig für Katastrophen, Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Erdstöße und Riesenwellen, die Schiffe auf Marktplätze spülen können. Die Leute hier nehmen das schicksalsergeben hin, es sind Prüfungen, die ihnen der Herr auferlegt, aber sie werden nervös, wenn lange nichts passiert ist. Ich kenne das von meiner Nini, sie rechnet auch ständig damit, dass ihr der Himmel auf den Kopf fällt.
    Für das nächste Wüten der Natur ist unser Schulhaus jedenfalls gewappnet; es ist der Mittelpunkt des sozialen Lebens auf der Insel, hier treffen sich der Frauenkreis, die Handarbeitsgruppe und die Anonymen Alkoholiker, bei denen ich zweimal war, weil ich es Mike O’Kelly versprochen hatte, aber ich saß da als einzige Frau mit vier oder fünf Männern, die sich vor mir nicht zu reden trauten. Ich glaube, ich brauche es nicht, ich bin jetzt über vier Monate trocken. In der Schule sehen wir uns Filme an, hier werden kleinere Konflikte aus der Welt geschafft, für die mandie Polizei nicht bemühen würde, und man bespricht, was ansteht, ob Aussaat oder Ernte, Preise für Kartoffeln oder Meeresfrüchte; Liliana Treviño führt hier ihre Impfungen durch und hält Vorträge über die Grundlagen der Hygiene, denen die älteren Frauen amüsiert zuhören. »Nichts für ungut, Señorita Liliana, aber Sie wollen uns doch nichts vom Gesundwerden erzählen!«, sagen sie. Den alten Frauen sind Pillen, die man kaufen kann, nicht zu Unrecht verdächtig, denn jemand verdient sich eine goldene Nase daran, deshalb nehmen sie lieber Hausmittel, die kostenlos sind, oder homöopathische Globuli aus kleinen Papiertüten. In der Schule wurde uns das Programm des Gesundheitsministeriums zur Empfängnisverhütung vorgestellt, was etliche der Omis entsetzt hat, und hier haben uns die Polizisten erklärt, was gegen Läuse zu tun ist, sollte es wieder eine Plage geben, was alle zwei Jahre geschieht. Schon bei dem Gedanken an Läuse juckt mir der Kopf, mir sind Flöhe lieber, die bleiben bei Fákin und den Katzen.
    Die Computer in der Schule stammen aus präkolumbianischer Zeit, sind aber gut in Schuss, und ich

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