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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihn wiedererkennen und seinen Truck beschreiben, wenn er mich noch nicht umgebracht hatte, dann nur weil er sich weiter an mir vergehen wollte. Der Gedanke, dass ich verloren war, dass ich umgebracht und meine Leiche in diesen Wäldern niemals gefunden würde, weckte einen unerwarteten Zorn in mir. Ich hatte nichts zu verlieren.
    Jäh schob ich Fedgewicks Hand von meiner Hüfte und drehte mich zu ihm, um den Kampf aufzunehmen. Sein Geruch traf mich wie ein Schlag: Raubtieratem, Schweiß, Alkohol, Sperma, gammelige Pizza. Ich sah seine fiese Visage im Profil, den gewaltigen Brustkorb, die Wölbung der Muskeln am Unterarm, sein haariges Geschlechtsteil, ein Bein, so dick wie ein Baumstamm, und würgte den galligen Geschmack hinunter, der meine Kehle hinaufkroch. Mit der freien Hand tastete ich unter sein Kopfkissen auf der Suche nach der Pistole. Ich fand sie fast sofort, sie lag in greifbarer Nähe, wenn auch eingeklemmt unter Fedgewicks schwerem Schädel. Er musste fest auf die eigene Macht vertrauen und darauf, dass ich mich in die Rolle des Opfers gefügt hatte, sonst hätte er sie nicht dort liegen lassen. Ich atmete tief ein, schloss die Augen, nahm den Lauf mit zwei Fingern und zog, Millimeter für Millimeter, ohne das Kopfkissen zu bewegen. Schließlich hatte ich sie draußen, sie war schwerer als erwartet, und ich hielt sie, bebend vor Anspannung und Angst, gegen meine Brust gepresst. Außer der von Rick Laredo hatte ich nie eine Waffe gesehen, und auch die hatte ich nie in der Hand gehabt, aber wie sie funktionierte, wusste ich aus dem Kino.
    Ich zielte auf Fedgewicks Kopf, es hieß sein Leben oder meins. Ich konnte die Waffe mit einer Hand kaum halten, zitterte vor Aufregung, lag ganz verdreht und war noch geschwächt von dem, was Fedgewick mir eingeflößt hatte, aber es würde ein Schuss aus nächster Nähe sein, er konnte nicht fehlgehen. Ich legte den Finger an den Abzug und zögerte, war blind von dem harten Pochen in meinen Schläfen. Ich überlegte, sah es in aller Deutlichkeit, es war meine einzige Chance, diesem Vieh zu entkommen. Ich zwang mich, den Zeigefinger zu bewegen, spürte den leichten Widerstand des Abzugs und zögerte erneut, nahm im Geist das Feuern vorweg, den Rückstoß der Waffe, das infernalische Spritzen von Knochen und Blut und Gehirnmasse.Tu’s, jetzt tu’s endlich, flüsterte ich, aber ich konnte nicht. Ich wischte mir den Schweiß ab, der mir übers Gesicht rann und meinen Blick trübte, trocknete meine Hand am Laken und hob wieder die Waffe, legte den Finger an den Abzug und zielte. Noch zwei Mal wiederholte ich das, ohne dass ich hätte abdrücken können. Ich sah auf die Uhr: halb vier. Schließlich ließ ich die Pistole aufs Kopfkissen sinken, neben das Ohr meines schlafenden Peinigers. Ich drehte ihm den Rücken zu und zog die Beine an, lag da nackt und taub und weinte vor Enttäuschung über meine Skrupel und vor Erleichterung, weil ich mich gegen den unwiderruflichen Horror entschieden und nicht getötet hatte.
    Bei Tagesanbruch erwachte Roy Fedgewick rülpsend und räkelte sich, war augenscheinlich nüchtern, gesprächig und guter Dinge. Er sah die Pistole auf dem Kissen, nahm sie, hielt sie sich an die Schläfe und drückte ab. »Pum! Du hast doch nicht etwa gedacht, die ist geladen?« Und er lachte. Nackt stand er auf, wog seine morgendliche Erektion in beiden Händen, überlegte kurz, verwarf den Gedanken dann aber. Er steckte die Waffe in den Stoffbeutel, kramte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete die Handschellen und befreite mich. »Du glaubst gar nicht, welche Dienste mir die schon geleistet haben, die Frauen stehen voll drauf. Wie fühlst du dich?« Er strich mir väterlich über den Kopf. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich am Leben war. Ich hatte zwei Stunden wie betäubt geschlafen, traumlos. Ich rieb mir Handgelenk und Hand, damit wieder Blut hineinströmte.
    »Wir gehen gleich frühstücken, das ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Mit einem anständigen Frühstück im Bauch kann ich zwanzig Stunden fahren«, verkündete er mir mit einer Zigarette im Mund vom Klo aus. Kurz darauf hörte ich, wie er duschte und sich die Zähne putzte, dann kam er zurück ins Zimmer, zog sich trällernd an, legte sichmit seinen Cowboystiefeln aus Schlangenlederimitat aufs Bett und schaltete den Fernseher an. Ich bewegte nach und nach meine tauben Glieder, kam schwerfällig wie eine alte Frau auf die Füße, schwankte ins Bad und schloss die Tür.

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