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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Lauf seiner Pistole zwischen den Beinen, aber ich konnte mich nicht rühren. Er zog mich hoch aufs Bett und zerrte mir die Kleider vom Leib. Ich versuchte mich zu wehren, aber mein Körper gehorchte mir nicht, ich versuchte zu schreien und hatte keine Stimme. Ich versank in einem zähen Morast, bekam keine Luft, erstickte, starb.
    In den kommenden Stunden war ich mehr tot als lebendig und bekam von den schlimmsten Misshandlungen nichts mit, aber irgendwann kehrte mein Geist von weither zurück und betrachtete die Szene in dem schäbigen Motelzimmer wie auf einer Leinwand in Schwarzweiß: eine Frauengestalt, lang und dünn, leblos, zu einem Kreuz geöffnet, über ihr ein Minotaurus, der Obszönitäten speit und wieder und wieder zustößt, dunkle Flecken auf dem Laken, ein Gürtel, die Waffe, die Flasche. Dann endlich sackt Fedgewick mit dem Gesicht nach unten zusammen, ausgepowert, befriedigt, sabbernd, und im nächsten Moment schnarcht er schon. Mit einer übermenschlichen Anstrengung schaffteich es, zu mir zu kommen, kehrte in meinen schmerzenden Körper zurück, bekam aber die Augen kaum auf und konnte nicht nachdenken. Aufstehen, um Hilfe rufen, fliehen, waren Wörter ohne Sinn für mich, formten sich wie Seifenblasen in meinem dumpfen, mit Watte gefüllten Hirn und zerplatzten sofort. Ich sank zurück ins gnädige Dunkel.
    Um zehn vor drei am Morgen wachte ich auf, das sagte die Leuchtanzeige der Uhr auf dem Nachttisch, mein Mund war trocken, die Lippen aufgesprungen und der Durst quälend. Ich versuchte mich aufzusetzen, und es ging nicht, weil Fedgewick mein linkes Handgelenk mit Handschellen ans Kopfteil des Bettrahmens gefesselt hatte. Die Hand war geschwollen und der Arm, den ich mir bei meinem Fahrradunfall gebrochen hatte, war ganz steif. Mit der aufsteigenden Panik lichtete sich der Drogennebel in meinem Kopf ein wenig. Vorsichtig bewegte ich mich, kniff die Augen zusammen, um im Zwielicht etwas zu erkennen. Licht fiel nur als bläulicher Schein von der Leuchtreklame draußen durch die speckigen Vorhänge, und die Leuchtanzeige der Uhr gab ein grünes Schimmern ab. Das Telefon! Ich entdeckte es, als ich wieder zur Uhr sah, es stand direkt neben ihr, ganz nah.
    Mit der freien Hand zog ich am Laken und wischte mir die klebrige Feuchtigkeit von Bauch und Schenkeln, dann drehte ich mich nach links und ließ mich quälend langsam zu Boden gleiten. Das Metall schnitt in mein Handgelenk, mir entfuhr ein Wimmern, und die Bettfedern quietschten wie die Bremsen eines Zugs. Ich kniete auf dem kratzigen Teppich, hielt den Arm unmöglich verdreht, wartete ängstlich auf eine Reaktion meines Peinigers, hörte aber nur meinen eigenen Herzschlag als Dröhnen in den Ohren und dahinter Fedgewicks Schnarchen. Ich wartete fünf Minuten, bis ich sicher war, dass er weiter seinen Rausch ausschlief, dann erst wagte ich, nach dem Telefon zu greifen. Ich rückte vom Bett weg, so weit die Handschellen es zuließen, klemmtemir ein Kissen unters Kinn, um meine Stimme zu dämpfen, und wählte kauernd die Nummer des Notrufs. Keine Verbindung nach draußen. Man konnte vom Zimmer nur die Rezeption anrufen, für externe Gespräche musste man die Telefonzelle draußen benutzen oder ein Handy, aber das von Fedgewick war unerreichbar für mich. Ich wählte die Nummer der Rezeption und hörte es elfmal klingeln, dann eine Männerstimme mit indischem Akzent. »Man hat mich entführt, helfen Sie mir, helfen Sie …«, flüsterte ich, aber der Angestellte hatte schon aufgelegt. Ich versuchte es noch einmal mit demselben Ergebnis. Ich erstickte mein verzweifeltes Schluchzen in dem schmierigen Kissen.
    Fast eine halbe Stunde verging, ehe ich mich an die Pistole erinnerte, die Fedgewicks perverses Spielzeug gewesen war, kaltes Metall im Mund, in der Scheide, Geschmack von Blut. Ich musste sie finden, sie war meine einzige Hoffnung. Mit der gefesselten Hand zurück aufs Bett zu kommen erforderte akrobatische Verrenkungen, und ich konnte nicht vermeiden, dass die Matratze unter meinem Gewicht federte. Fedgewick schnaubte ein paarmal wie ein Stier, drehte sich auf den Rücken, seine Hand fiel schwer wie ein Ziegelstein auf meine Hüfte, ich erstarrte, aber gleich darauf schnarchte er wieder, und ich atmete auf. Die Leuchtziffern zeigten drei Uhr fünfundzwanzig, die Zeit schleppte sich hin, es würde noch Stunden dauern, bis die Sonne aufging. Ich begriff, diese Minuten waren meine letzten, Fedgewick würde mich niemals am Leben lassen, ich konnte

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