Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Steuer. Wir übernachten hier. Steig aus«, sagte Fedgewick.
»Ich würde lieber im Truck schlafen, wenn’s Ihnen recht ist«, sagte ich, weil ich kein Geld für ein Zimmer hatte.
Der Mann griff mit ausgestrecktem Arm über mich zum Handschuhfach und holte eine Viertelliterflasche Whisky und eine halbautomatische Pistole heraus. Er zog einen Stoffbeutel unterm Sitz hervor, stieg aus, ging um das Führerhaus herum, öffnete die Tür auf meiner Seite und befahl mir auszusteigen, das sei besser für mich.
»Wir wissen doch beide, weshalb wir hier sind, du Flittchen. Oder hast du gedacht, die Fahrt ist kostenlos?«
Ich gehorchte instinktiv, obwohl wir in einem Selbstverteidigungskurs an der Berkeley High gelernt hatten, in einer Situation wie dieser solle man sich auf den Boden werfen und wie wahnsinnig schreien und keinesfalls mit dem Aggressor kollaborieren. Ich sah, dass der Mann hinkte und auch kleiner und beleibter war, als er im Sitzen gewirkt hatte, ich hätte weglaufen können, er hätte mich bestimmt nicht eingeholt, aber die Pistole hielt mich ab. Fedgewick musste meine Gedanken erraten haben, er packte mich fest am Arm und trug mich fast zum Empfangsschalter, der durch eine dicke Scheibe und ein Gitter geschützt war, reichte ein paar Scheine durch eine Öffnung, bekam den Zimmerschlüssel und bestellte noch ein Sixpack Bier und eine Pizza. Ich konnte den Angestellten nicht sehen, geschweige denn mich bemerkbar machen, weil Fedgewick mich mit seiner Körpermasse abschirmte.
Die Pranke des Mannes hatte mir fast den Arm zerquetscht, bis wir beim Zimmer Nummer 32 ankamen. Drinnen derGestank nach Feuchtigkeit und Holzschutzmittel, ein Doppelbett, gestreifte Tapeten, Fernseher, elektrischer Heizlüfter und eine Klimaanlage, wegen der sich das einzige vorhandene Fenster nicht öffnen ließ. Fedgewick befahl mir, im Bad zu verschwinden, bis das Bier und die Pizza kämen. Im Bad eine Dusche mit rostigen Armaturen, ein Waschbecken, ein Klo von zweifelhafter Sauberkeit und zwei fadenscheinige Handtücher; kein Riegel an der Tür und bloß eine kleine Deckenluke für die Belüftung. Ich sah mich angstvoll in dieser Zelle um und begriff, dass ich noch nie so ausgeliefert gewesen war. Meine krummen Dinger von früher waren hiermit verglichen ein Witz, ich hatte mich auf vertrautem Terrain bewegt, mit meinen Freundinnen, hatte Rick Laredo als Rückendeckung gehabt und die Gewissheit, dass ich mich notfalls unter die Rockzipfel meiner Großmutter flüchten konnte.
Fedgewick nahm Bier und Pizza entgegen, wechselte ein paar Sätze mit dem Angestellten, schloss die Tür und rief, ich solle essen kommen, ehe die Pizza kalt würde. Ich brachte nichts runter, mir steckte ein Kloß in der Kehle. Fedgewick bestand nicht darauf. Er kramte etwas aus seinem Stoffbeutel, ging aufs Klo, ohne die Tür zu schließen, und kam mit offener Hose und einem Plastikbecher mit einem Fingerbreit Whisky wieder. »Nervös? Damit wird’s besser.« Er hielt mir den Becher hin. Ich schüttelte den Kopf, war unfähig, etwas zu sagen, da packte er mich am Nacken und setzte mir den Becher an die Lippen. »Trink, blöde Schlampe, oder soll ich’s dir mit Gewalt einflößen?« Ich schluckte, hustete, mir schossen Tränen in die Augen; seit über einem Jahr hatte ich keinen Alkohol getrunken und vergessen, wie er brannte.
Mein Entführer setzte sich aufs Bett, zappte durchs Programm, bis er eine Komödie fand, trank drei Dosen Bier und aß zwei Drittel der Pizza, lachte, rülpste, hatte mich anscheinend vergessen, und ich stand abwartend in einerEcke an der Wand. Mir drehte sich alles, der Raum bewegte sich, die Möbel veränderten ihre Form, Fedgewicks massige Gestalt verschwamm mit den Bildern im Fernsehen. Meine Beine knickten ein, und ich musste mich auf den Boden setzen, kämpfte an gegen das Verlangen, die Augen zu schließen und wegzudriften. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, begriff aber doch, dass in dem Pappbecher mehr gewesen sein musste als Whisky. Der Mann hatte genug von der Komödie, schaltete den Fernseher aus und kam zu mir, um mich in Augenschein zu nehmen. Seine dicken Finger hoben meinen Kopf an, der ein Stein geworden war, zu schwer für meinen Hals. Sein widerlicher Atem schlug mir ins Gesicht. Fedgewick setzte sich wieder aufs Bett, legte mit seiner Kreditkarte eine Line Kokain auf dem Nachttisch und zog sie genüsslich. Dann drehte er sich wieder zu mir um, befahl mir, mich auszuziehen, und rieb sich dabei mit dem
Weitere Kostenlose Bücher