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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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eine Suite in einem der Hotels am Strip mit, bestellte Champagner und bat mich dann, mich langsam für ihn auszuziehen, während er mit seinem Stoff und einem Glas Bourbon davondriftete, ohne mich anzufassen. Ich tat es erst zögerlich, merkte aber bald, dass es genauso war, als würde ich mich allein vor dem Spiegel ausziehen, weil sich für den Boss die Erotik auf die Spritze und das Glas beschränkte. Er sagte mir immer wieder, wie viel Glück ich mit ihm hätte,andere Mädchen würden in Massagesalons und Bordellen ausgebeutet, bekämen nie die Sonne zu sehen und würden geschlagen. Ob mir klar sei, dass es in den USA Hunderttausende von Sexsklavinnen gibt? Einige stammten aus Asien oder vom Balkan, aber viele seien Amerikanerinnen, seien auf der Straße, in U-Bahn-Stationen oder an Flughäfen entführt worden oder minderjährig von zu Hause abgehauen. Sie wurden eingesperrt und unter Drogen gesetzt, mussten dreißig und mehr Männer am Tag bedienen, und wenn sie aufbegehrten, machte man sie mit Elektroschocks gefügig; sie waren unsichtbar, Wegwerfware, wertlos. Manche Etablissements waren auf sadistische Praktiken spezialisiert, dort konnten die Freier die Mädchen nach Belieben quälen, sie auspeitschen, vergewaltigen, sogar umbringen, wenn sie genug dafür zahlten. Prostitution war für die Banden ein einträgliches Geschäft, für die Frauen dagegen ein Fleischwolf, sie hielten nicht lange durch und endeten immer übel. »Das ist etwas für Unmenschen, Laura, und ich habe ein weiches Herz«, sagte er. »Sei brav, und enttäusch mich nicht. Ich würde dich ungern eines Tages in so einem Milieu sehen.«
    Als ich irgendwann begann Verbindungen zwischen Ereignissen zu ziehen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hatten, stieß mir dieser Teil von Brandon Leemans Geschäft besonders übel auf. Er hatte nicht direkt mit Prostitution zu tun, außer dass er den Frauen, die ihn darum baten, etwas verkaufte, aber er hatte undurchsichtige Verabredungen mit Zuhältern, und die fielen öfter mit dem Verschwinden von jungen Mädchen aus seinem Kundenkreis zusammen. Mehrmals bekam ich mit, dass er sehr junge Mädchen, die erst seit kurzem an der Nadel hingen, mit seiner freundlichen Art in die Wohnung lockte, sie vom Besten probieren ließ, was vorrätig war, sie ein paar Wochen auf Kredit versorgte, und dann waren sie plötzlich weg, wie vom Erdboden verschluckt. Freddy bestätigtemeinen Verdacht, dass er sie an die Banden verkaufte; damit bekam Brandon Leeman etwas von dem Kuchen ab, ohne sich die Hände übermäßig schmutzig zu machen.
    Die Regeln waren einfach, und solange ich meinen Teil der Abmachung einhielt, hielt sich der Boss an seinen. Seine erste Bedingung lautete, keinen Kontakt zu meiner Familie oder anderen Menschen aus meinem früheren Leben aufzunehmen, was mir leichtfiel, weil ich außer meiner Großmutter niemanden vermisste, und da ich vorhatte, bald nach Kalifornien zurückzugehen, konnte sie warten. Leeman erlaubte mir auch keine neuen Freundschaften, sagte, die geringste Indiskretion könne das wacklige Gerüst seiner Geschäfte zum Einsturz bringen. Einmal erzählte ihm der Chinese, er habe mich an der Tür zum Club im Gespräch mit einer Frau gesehen. Leeman packte mich am Hals und zwang mich mit einer Entschlossenheit auf die Knie, die ich nicht für möglich gehalten hätte, war ich doch größer und kräftiger als er. »Dumme Kuh! Miststück!«, brüllte er und schlug mir, rot vor Zorn, zweimal ins Gesicht. Das hätte ein Weckruf sein können, aber ich war außerstande zu erfassen, was mit mir geschah; es war einer dieser inzwischen häufiger vorkommenden Tage, an denen mein Denken völlig zerfaserte.
    Kurz darauf sagte er, ich solle mir was Hübsches anziehen, wir würden zum Abendessen in ein neues italienisches Restaurant gehen; ich nahm an, das war seine Art, sich zu entschuldigen. Ich zog mein schwarzes Kleid und die goldenen Sandalen an, bemühte mich aber nicht, die aufgesprungene Lippe und die Rötungen auf der Wange mit Make-up zu kaschieren. Das Restaurant erwies sich als unerwartet angenehm: sehr modern, Glas, Stahl und schwarze Spiegelflächen, keine karierten Tischdecken oder als Gondolieri verkleideten Kellner. In unserem Essen pickten wir nur herum, tranken aber zwei Flaschen Quintessa, Jahrgang2005, die ein Vermögen kosteten und die Verstimmung erfreulich zu lindern vermochten. Leeman erklärte mir, er stehe gerade sehr unter Druck, ihm habe sich die Möglichkeit

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